100-jähriger Inhaber in seiner Apotheke verstorben Lothar Klein, 02.08.2017 14:52 Uhr
Am 17. Juni feierte Apotheker Gustav Martin Wolfgang Liebe seinen 100. Geburtstag. An diesem Dienstag verstarb der Pharmazierat in seiner Löwen-Apotheke in Bad Liebenwerda. Er war zuvor der älteste noch aktive Apotheker: „Das hat er sich so gewünscht“, sagte Ruth Przetak, die seit 1962 in der Apotheke arbeitet und in den letzten zwölf Jahren immer an der Seite Wolfgang Liebes war, gegenüber der Lausitzer Rundschau.
Noch kurz vor seinem Tod suchte er einen Nachfolger. Weil der 100-Jährige seit Kurzem nicht mehr stehen und gehen konnte, sollte ein angestellter Apotheker die Löwen-Apotheke führen. Dieser wurde inzwischen gefunden. Der Weiterbetrieb der Apotheke scheint gesichert.
„Meine Erfüllung ist die Apotheke an sich, ist es, den Menschen ein wenig Last von der Seele zu nehmen. Friede und Erfüllung lassen mich zur Harmonie gelangen“, beschrieb der betagte Apotheker sein Lebensmotto im Gespräch mit APOTHEKE ADHOC anlässlich seines Geburtstages. „Jetzt brauche in dringend einen Nachfolger, sonst muss ich schließen. Ich habe mein Gleichgewicht verloren und kann jetzt nicht mehr am HV-Tisch stehen.“ Apotheker Liebe beobachtete bis zu seinem Tod von einer Liege aus einem Nebenzimmer das Geschehen in seiner Apotheke: Die Tür zur Offizin steht immer offen.
72 Jahren führte Apotheker Liebe seine Löwen-Apotheke in Bad Liebenwerda, auf stolze 81 Berufsjahre kam er. Selbst zu DDR-Zeiten gelang es ihm, die Apotheke als Privatunternehmen zu führen. Der Apotheker gehörte zu Bad Liebenwerda, dort war er Ehrenbürger. Aber auch weit über die Grenzen der brandenburgischen Kurstadt hinaus wurde er bekannt. Liebe trug den Ehrendoktorhut der International University of Kyrgyzstan (IUK) in Bischkek, Kirgisistan.
Geboren wurde Wolfgang Liebe als Sohn des Apothekers Albin Liebe und seiner Ehefrau Martha Liebe im Hause der Liebenwerdaer Apotheke in der Breiten Straße. Bereits im Dreißigjährigen Krieg von 1618 bis 1648 wurde die Löwen-Apotheke erwähnt. Sein Vater führte die Apotheke schon während der Weimarer Republik.
Liebe ging in Liebenwerda bis zur sechsten Klasse zur Schule, besuchte anschließend die Lessingschule in Kamenz. 1936 machte er das Abitur. Danach absolvierte Wolfgang Liebe zwei praktische Jahre in der väterlichen Apotheke, bis er nach Ablegung des Vorexamens 1938 das Pharmaziestudium in Leipzig begann. Weil er im Zweiten Weltkrieg vom Kriegsdienst wegen gesundheitlicher Probleme befreit war, legte er 1941 das Staatsexamen mit der Note Sehr Gut ab.
Zunächst arbeitete er dann in der Apotheke seines Vaters, die er 1945 als Leiter und 1947 als Inhaber übernahm. Das aber reichte Liebe nicht. 1948 begann er das Studium der Medizin mit der Auflage, den Betrieb seiner Apotheke weiterhin zu gewährleisten. Medizin studierte er in Halle und danach an der Berliner Humboldt-Universität. Personelle Engpässe in seiner Apotheke zwangen ihn dazu, seine Promotion abzubrechen und das wirtschaftliche Überleben des Unternehmens sicherzustellen.
In den darauf folgenden Jahren war es Wolfgang Liebe nicht möglich, sein Studium und seine Dissertation zu beenden. Anders als viele andere Apotheker in der DDR konnte Liebe seine Apotheke gegen die staatlichen Interessen der DDR weiter als privates Unternehmen führen. 1972 verlieh ihm die DDR-Führung den Titel Pharmazierat. Nach der Wende verließ er 1995 mit seiner Apotheke sein Vaterhaus und zog zum Rossmarkt in Bad Liebenwerda um.
Seine Biografie machte Liebe über die Grenzen Brandenburg bekannt. Unter dem Titel „Wir werden noch gebraucht“ strahlte die ARD einen TV-Bericht über ihn aus. Im Jahr 2012 wurde Wolfgang Liebe mit dem Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland für sein ehrenamtliches Engagement ausgezeichnet. In Bad Liebenwerda wurde eine Seniorenwohnstätte nach ihm benannt.
2009 zeichnete International University of Kyrgyzstan ihn mit der Ehrendoktorwürde aus. Initiator war der Verein für Stadtmarketing und Wirtschaft Bad Liebenwerda. Seit 2007 hatte sich der Verein für eine Verleihung der Ehrendoktorwürde an Liebe eingesetzt. Doch das war nicht so leicht – trotz zahlreicher Unterstützer.
Denn Ehrenpromotion dürfen in Brandenburg nur bei „besonderen Verdiensten um Wissenschaft, Technik, Kultur und Kunst“ verliehen werden und nicht für Verdienste im sozialen Bereich. Über Hochschulen in Aachen und Polen wurde dann die Verbindung zu der 1993 gegründeten IUK in Kirgisistan hergestellt. Der Wissenschaftliche Beirat verlieh Liebe schließlich die Ehrendoktorwürde.