Registrierkassengesetz

Bonpflicht: Keine Ausnahmen

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Berlin -

Einen Kassenbeleg selbst beim Brötchenkauf – die Bonpflicht trieb vor einem halben Jahr Unternehmer bundesweit auf die Barrikaden. Auch von den Apotheken gab es heftigen Protest. Durch die Corona-Krise ist das Thema in den Hintergrund getreten. Der Handel bleibt kritisch.

Ausnahmen von der Bonpflicht gibt es auch ein halbes Jahr nach ihrer Einführung nicht. Die bisher gestellten und bearbeiteten Anträge seien erfolglos gewesen, sagte eine Sprecherin der Oberfinanzdirektion Frankfurt. „In keinem der bereits entschiedenen Einzelfälle war die vorgetragene Argumentation geeignet oder ausreichend, um eine solche Bewilligung aussprechen zu können.“

Bis zum Stichtag 31. März – aktuellere Zahlen liegen derzeit nicht vor – wurden allein in Hessen 642 Anträge auf Befreiung von oder Erleichterungen bei der Belegausgabepflicht gestellt. Bezogen auf den gesamten hessischen Unternehmensbestand seien das etwa 0,1 Prozent. Tatsächlich abgelehnt worden seien bisher etwa ein Viertel der Anträge. 40 Prozent wurden zurückgezogen. Der Rest ist in Bearbeitung.

Seit dem Jahreswechsel müssen Händler mit elektronischen Kassensystemen bei jedem Kauf den Kunden einen Beleg ausstellen. Vor allem Unternehmen und Handwerk hatten die Regelung als bürokratisch kritisiert. Zudem werde viel unnützer Müll produziert.

Laut der Oberfinanzdirektion nannte bisher kein Betrieb stichhaltige Gründe für die Bewilligung eines Antrags. Genannt worden seien zum Beispiel entstehende Mehrkosten, die aber alle Händler gleichermaßen treffen. Auch Verzögerungen im Betriebsablauf seien in den bisher entschiedenen Fällen nicht ausreichend gewesen, da beim Zahlungsvorgang auch die technische Möglichkeit gegeben sei, den Bon zeitgleich auszugeben.

Die Bonpflicht soll gewährleisten, dass Kassendaten und andere digitale Aufzeichnungen nicht unerkannt verändert werden können: „Dem systematischen Betrug am ehrlichen Steuerzahler soll damit weiter entschieden entgegengetreten werden“, so die Oberfinanzdirektion. Mit einem Beleg könne der ordnungsgemäße Einsatz der Registrierkassen schnell und einfach nachgeprüft werden. Dies geschehe bei sogenannten Kassen-Nachschauen. Dabei erscheine ein Mitarbeiter der Finanzverwaltung ohne Ankündigung und prüfe die Ordnungsmäßigkeit der Aufzeichnungen und Buchungen.

Was das in der Praxis gebracht hat, ist noch unklar. „Der überwiegende Teil der als bargeldintensive Betriebe geführten Unternehmen in Hessen konnte in den vergangenen Monaten als Folge der Corona-Pandemie nur äußerst eingeschränkt oder überhaupt nicht öffnen“, sagte die Sprecherin. Erst seit ein bis zwei Wochen beginne eine Normalisierung.

„Nach sechs Monaten Bonpflicht kann in der aktuellen Situation natürlich nur schwer ein erstes Fazit gezogen werden“, erklärte Sven Rohde, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Hessen. Grundsätzlich halte man aber an der Kritik fest: hohe Kosten, unnötiger bürokratischer Aufwand, Belastung für Umwelt und Gesundheit. „Der Handel kommt der Bonpflicht nach, aber Corona hat gezeigt, dass noch weniger Kunden den ausgedruckten Bon mitnehmen als ohnehin schon vor der Krise – gerade bei niedrigpreisigen Produkten“, sagte Rohde.

Im Zusammenhang mit dem Kassengesetz plädiere man aktuell zudem, eine Übergangsregelung zu verlängern. Bis Ende September 2020 müssen Registrierkassen eine TSE-Lizenz haben. Das steht für Technische Sicherheitseinrichtung und beschreibt ein Sicherheitsmodul, dass lückenlos und unveränderbar alle Kassenvorgänge aufzeichnet. „Bei vielen Unternehmen geht es jetzt um jeden Euro, da sind oft mehrere tausend Euro zur Kassenumrüstung derzeit nicht die wichtigste Investition“, erklärte Rohde.

Das Bundesfinanzministerium bleibt dabei hart – aber nur grundsätzlich: Die Frist zur Installation des elektronischen Manipulationsschutzes von Registrierkassen wird wegen der Corona-Krise nicht ein zweites Mal verlängert. Ab 1. Oktober müssen im Prinzip alle Kassensysteme der Apotheken mit einer zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung (TSE) ausgestattet sein. Aber es gibt Ausnahmen: „In Einzelfällen können Steuerpflichtige bei der zuständigen Finanzbehörde einen Antrag auf eine über den 30. September 2020 hinausgehende Befreiung von der Pflicht zum Einsatz einer TSE stellen“, teilte das Bundesfinanzministerium (BMF) gegenüber APOTHEKE ADHOC mit.

Apotheker Reinhard Rokitta war noch nie ein Freund der Bonpflicht. Weil er nicht einsieht, in der Corona-Krise auch noch Zettelchen auszudrucken, hat er sich selbst beim Bundesfinanzministerium angezeigt: „Sehr geehrter Herr Finanzminister Scholz, mit Wirkung vom 20. März 2020, 14.58 Uhr, habe ich an meinen Kassen die automatische Bonausgabe entgegen dem Gesetz zur Belegausgabepflicht bis zum Widerruf der Pandemie abgeschaltet“, schreibt Rokitta. „Begründung: Meine Mitarbeiter und ich haben keine Zeit mehr, nicht mitgenommene Bonbelege der Kunden nach DSGVO zu vernichten.“

Auch das Bäckerhandwerk bleibt bei seiner Position: „Argumente, die vor Corona galten, gelten auch nach Corona“, erklärte Stefan Körber, Geschäftsführer des Bäckerinnungsverbands Hessen. Die Quittungen seien eine „Riesen-Umweltsauerei“ und Kunden reagierten unwirsch, wenn man ihnen immer wieder die Bons anbieten müsse. Eine Alternative – den Bon per Scan eines QR-Codes elektronisch zu erhalten – habe sich nicht durchgesetzt. „Kein einziger Kunde scannt den Code ab. Es bleibt dabei: Wir legen den Bon hin.“

Auch die Bäcker dringen auf eine Verschiebung der TSE-Pflicht. Die Umstellung sei durch die Corona-Krise kaum zu bewältigen: Auf Zehntausende von Kassen müssten Updates aufgespielt werden. Doch die Außendienstmitarbeiter der Hersteller seien seit Mitte März nicht mehr unterwegs.

 

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