Bonpflicht ab Januar: Das müssen Sie wissen Alexander Müller, 09.12.2019 10:28 Uhr
Bonflut in der Apotheke: Ab dem 1. Januar müssen auch Apotheker jedem Kunden einen Kassenbon mitgeben. Steuerberater Dr. Bernhard Bellinger hat sich ausführlich mit der Kassensicherungsverordnung (KassenSichV) befasst und bundesweit Vorträge für das Softwarehaus ADG gehalten. Der Fachanwalt für Steuerrecht erklärt, was die Apotheken beachten müssen und weist auf besonders skurrile Vorgaben der Bonpflicht hin.
Die Belegausgabepflicht wurde laut Bellinger auf Wunsch der „Hardliner aus der Finanzverwaltung“ in die Abgabenordnung (AO) aufgenommen. Dabei sei das Ansinnen von Anfang an im Gesetzgebungsverfahren sehr umstritten gewesen. Vor allem die Fraktion Bündnis90/Die Grünen war dagegen – schon aus Naturschutzgründen.
Zum Zeitpunkt der Anhörung im Bundesfinanzministerium (BMF) sei die Belegausgabepflicht fast vom Tisch gewesen, berichtet Bellinger, der dort den Bundesverband der Deutschen Apothekensoftwarehäuser (ADAS) vertreten hat. „Das BMF hatte sich eindeutig dagegen positioniert – wegen der internationalen Erfahrung in Österreich und Italien. Schlussendlich haben sich aber die Hardliner durchgesetzt, die darauf hinwiesen, dass die gesamte Regelung zum Schutz vor Manipulationen eigentlich nur dann Sinn macht, wenn der Einzelhandel und die Gastronomie durch eine Belegausgabepflicht dem Kunden quasi offenbaren müssen, ob sie das Geld auch steuerlich vereinnahmen werden oder nicht“, berichtet Bellinger.
Offen sei noch, ob der Beleg zusätzlich einen QR-Code enthalten soll. Hierzu wäre eine gesetzliche Änderung nötig. „Die Finanzverwaltungen der Länder wünschen diesen QR-Code mit der Konsequenz, dass der Kunde über eine App seines Handys sich entschlüsselt die Daten ansehen kann, die im Warenwirtschaftssystem des Unternehmers für Steuerzwecke registriert wurden“, erklärt Bellinger. Der QR-Code enthält nämlich die wesentlichen Daten des Verkaufs: Datum des Belegs, Betrag, Steuerschlüssel, Steueridentifikationsnummer, Datum, Artikelbezeichnung, Summe.
Aktuell soll der Beleg gemäß § 6 der KassenSichV enthalten:
- den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers,
- das Datum der Belegausstellung und den Zeitpunkt des Vorgangbeginns im Sinne des § 2 Satz 2 Nummer 1 sowie den Zeitpunkt der Vorgangsbeendigung im Sinne des § 2 Satz 2 Nummer 6,
- die Menge und die Art der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung,
- eine eindeutige und fortlaufende Transaktionsnummer,
- das Entgelt und den darauf entfallenden Steuerbetrag für die Lieferung oder sonstige Leistung in einer Summe sowie den anzuwendenden Steuersatz oder im Fall einer Steuerbefreiung einen Hinweis darauf, dass für die Lieferung oder sonstige Leistung eine Steuerbefreiung gilt und
- die Seriennummer des elektronischen Aufzeichnungssystems oder die Seriennummer des Sicherheitsmoduls.
Allerdings greift nicht alles davon am 1. Januar. Denn für die mit der KassenSichV ebenfalls vorgesehene Einführung des Sicherheitsmodul und einer digitalen Schnittstelle hat der Gesetzgeber eine Nichtbeanstandungsfrist bis zum 30. September beschlossen. Die Konkretisierung in der Technischen Richtlinie hätte vom Markt nicht bis zum Jahreswechsel umgesetzt werden können. Darauf hatte Bellinger schon im Februar im Rahmen eines Vortrags in der Bundesfinanzakademie in Bonn hingewiesen. Auch die beteiligten Verbände äußerten im Juni den Wunsch nach einer Verschiebung. Im November veröffentlichte der Bund die geforderte Nichtbeanstandungsregelung. Damit scheide die „digitale Schnittstelle“ der Technischen Sicherheitseinrichtung (TSE) „als Zapfsäule für digitale Daten der Apotheke im Rahmen der Kassen-Nachschau“ jedenfalls bis zum Stichtag aus, erklärt Bellinger.
Die Nichtbeanstandungsregelung trifft die Bonpflicht dem Steuerberater zufolge teilweise, weil die Transaktionsnummer in der TSE vergeben wird und die Seriennummer des Sicherheitsmoduls erst nach dem 30. September geschuldet sein könne. Die restlichen oben genannten Bausteine (Ziff. 1-3 und 5) müssten aber ab dem 1. Januar 2020 auf dem Bon abgebildet werden. „Es ist nämlich für die Bonpflicht ohne Bedeutung, dass nicht sämtliche Mindestangaben bereitgestellt werden können“, so Bellinger.
Zwei Fragen werden im Zusammenhang mit der Belegausgabepflicht immer wieder an den Steuerberater herangetragen. Die eine lautet: „Muss ein Bon auch dann ausgehändigt werden, wenn der Kunde ein zuzahlungsbefreiter Kassenpatient ist, also das Medikament erhält, ohne einen Cent zu zahlen?“ Bellingers Anwort: „Ja. Die Bonpflicht setzt nicht voraus, dass an der Kasse ein Betrag fließt.“
Die zweite Frage lautet: „Darf man dem Boten den Bon mitgeben, wenn er zum Patienten herausfährt, obwohl in dem Moment ungewiss ist, ob er den Patienten antrifft und den bereits quittierten Betrag erhält?“ Bellinger: „Ja. Synchron zur Handhabung in Österreich wird dieses Vorgehen nicht beanstandet. Es empfiehlt sich, in diesem Fall, in der Kasse ein Doppel dieses Botenbons aufzubewahren, bis der Bote das Geld an die Kasse abgegeben hat. Sollte zwischenzeitlich eine Kassen-Nachschau stattfinden, ist die Differenz belegt. Alternativ kann mit ‚Rückstellung‘ im System gearbeitet werden. Hier muss allerdings berücksichtigt werden, dass dem Kunden nach der Zahlung der Bon physisch angeboten werden muss.“
Allgemein ist die Kritik an der Einführung der Bonpflicht groß. Zu einiger Berühmtheit hat Bäckermeister Michael Tenk gebracht, dessen Foto von einem Bon-Berg vor seiner Verkaufstheke ein Hit in den sozialen Medien wurde. Apotheker finden die Ausgabepflicht besonders sinnlos – immerhin sind sie gegenüber dem Fiskus aufgrund der Komplexität ihrer Systeme bei einer Betriebsprüfung schon heute sehr transparent. Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte den Finanzbehörden massive Zugriffsrechte auf die Daten in der Warenwirtschaft zugestanden.