Betriebsprüfung

Schäuble will Kassenzeile sehen Alexander Müller, 03.07.2014 10:15 Uhr

Transparente Apotheken: Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat sich in die Verfahren um Betriebsprüfungen eingeklingt. Foto: Elke Hinkelbein
Berlin - 

Das Bundesfinanzministerium (BMF) interessiert sich für die Apotheken – genauer gesagt für deren Kassenbücher: Das Haus von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat sich in das Verfahren vor dem Bundesfinanzhof (BFH) eingeschaltet. In dem Streit geht es um die Frage, welche Daten Apotheken bei einer Betriebsprüfung preisgeben müssen. Erwartungsgemäß schlägt sich das Ministerium auf die Seite des Fiskus.

Beim BFH liegen aktuell drei Verfahren zu diesem Sachverhalt. Gestritten wird in unterschiedlichen Konstellationen, ob der Fiskus Anspruch auf die Kassenauftragszeile hat – also alle Einzeldaten aus der Warenwirtschaft. Der Steuerberater Dr. Bernhard Bellinger streitet dies ab und führt die Verfahren gegen die Finanzämter.

Wie in jedem BFH-Verfahren kann das BMF hierzu eine Stellungnahme abgeben – tut dies in der Regel aber nur zu grundsätzlichen Fragestellungen. Die Einzelaufzeichnungspflicht der Kasseneinnahmen in Apotheken zählt man in Schäubles Haus offenbar dazu.

Aus Sicht des BMF sind Apotheken zur Herausgabe der Einzeldaten verpflichtet. Dies ergebe sich schon aus den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Buchführung. „Bereits hiernach sind Geschäftsvorfälle vollständig aufzuzeichnen“, schreibt Dr. Hans-Ulrich Misera, Ministerialdirigent in der Steuerabteilung des BMF, in seiner Stellungnahme zu den Verfahren. Schon vor einem Jahr hatte sich das Ministerium auf Anfrage ähnlich geäußert.

Laut BMF müssen Apotheker alle Betriebseinnahmen und -ausgaben, jede Einlage und Entnahme dokumentieren. „Das bedeutet nicht nur die Aufzeichnung der in Geld bestehenden Gegenleistung, sondern auch des Inhalts des Geschäfts und des Namens des Vertragspartners, soweit zumutbar, mit ausreichender Bezeichnung des Geschäftsvorfalls.“

Lediglich aus Gründen der Unzumutbarkeit könne sich eine Ausnahme von der Pflicht ergeben, Kasseneinzeldaten aufzuzeichnen und aufzubewahren. „Dieser Aufnahmetatbestand ist jedoch nicht erfüllt, wenn – wie im vorliegenden Fall – Kasseneinzeldaten tatsächlich technisch, betriebswirtschaftlich und praktisch erhoben werden und vorliegen“, schrieb Misera Mitte Mai. Weil die Daten also im Warenwirtschaftssystem ohnehin gespeichert werden, müssen Apotheke aus Sicht der Finanzbehörden diese Informationen auch dem Betriebsprüfer geben.

Vor allem in diesem Punkt widerspricht Bellinger. Der Steuerfachanwalt und Kopf der Steuerberater-Vereinigung APO-Audit vertritt die Position, dass jeder Steuerpflichtige nur solche Daten herausgeben muss, für die auch eine Aufzeichnungspflicht besteht. Der Einzelhandel sei aber eben nicht verpflichtet, jeden Einzelvorgang zu speichern. Ob die Software dies grundsätzlich kann, spielt demnach keine Rolle.

Der BFH hat die Verhandlung noch nicht terminiert. Betriebsprüfer und Steuerberater fiebern der Entscheidung gespannt entgegen, zumal die Gerichte der Vorinstanz unterschiedlich entschieden haben: Das Finanzgericht Sachsen-Anhalt hatte dem Fiskus Recht gegeben, Bellinger hat in Hessen und Nordrhein-Westfalen gewonnen.

Vor allem das Urteil des hessischen Finanzgerichts in Kassel stimmt Bellinger zuversichtlich. Die Anforderung des Fiskus sei „in Ermangelung einer die Datenanforderung stützenden gesetzlichen Grundlage rechtswidrig“, heißt es in der Begründung. Dass das Finanzamt trotzdem auf die Herausgabe der Daten beharrt hatte, war aus Sicht der Richter sogar eine Grundrechtsverletzung.

Bellinger rät seinen Kollegen vor diesem Hintergrund dringend, dem Datenhunger des Fiskus nicht zu willfährig nachzugeben. Denn bei einer Steuerhinzuschätzung, die aufgrund unberechtigt eingeforderter Daten entstanden sei, drohe dem Steuerberater ein Regress seines Mandanten, warnte Bellinger bei einer Fachtagung der DATEV, eines auf Steuerfragen spezialisierten Softwareanbieters.

Dass die Bundesregierung dem Verfahren beigetreten ist, wird in der Finanzverwaltung als Indiz dafür gesehen, dass der Gesetzgeber eingreifen wird – sollte das Verfahren zu Lasten des Fiskus ausgehen.

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