Verlässt die Kundin oder der Kunde die Apotheke, liegt die Compliance nicht mehr in der Hand des pharmazeutischen Personals. Felix Morawski legt in seiner Berliner Kreuzberg-Apotheke viel Wert auf Beratung und kam irgendwann an den Punkt, dass er die Tabletteneinnahme für seine Kundschaft erleichtern wollte. „Da fand ich Verblisterung spannend“, sagt der 38-Jährige. Gemeinsam mit einem Schulfreund entwickelte er „Hellomed“ – eine App für das Rezeptmanagement mit Blisterservice. Das Modell wollen die Gründer jetzt weiteren Apotheken anbieten.
Was in Heimen alltäglich ist, gibt es in Vor-Ort-Apotheken nur selten. „Wir wurden einmal gebeten, in Vorratsdosen zu Verblistern“, sagt Morawski. Auch Kartenblister wurden ausprobiert. „Das ist alles sehr aufwendig und wenn die Nachfrage größer wird, händisch nicht mehr zu machen.“ Im Gespräch mit seinem Freund Enrico Bernardo reifte die Idee, das Thema zu digitalisieren und damit zu vereinfachen. Bernardo kommt aus der Softwarebranche.
Ein Knackpunkt sei die Kommunikation zu den Patientinnen und Patienten gewesen, etwa um Medikationsänderungen oder Folgerezepte zu besprechen, sagt Bernardo. Letztlich entstand vor anderthalb Jahren die Hellomed Group, deren Partner die Kreuzberg-Apotheke ist. Die Medikationsübersicht wird digital per App oder vor Ort in der Apotheke abgegeben und geprüft. E-Rezepte werden über Token eingelesen. Perspektivisch ist eine Anbindung an CardLink geplant. Im Anschluss wird einem Blisterzentrum der Auftrag erteilt und die beschrifteten Tütchen nach Hause geschickt. Aktuell arbeitet Hellomed mit drei Firmen zusammen.
Die Apotheke verfügt über die Daten der Kunden und kann nach einer Einverständniserklärung mit der Verordnerin oder dem Verordner sprechen. „Wir können dem Arzt zum Beispiel über eine automatisierte E-Mail oder ein Fax kontaktieren“, sagt Bernardo. Zur Zielgruppe gehören neben der Kundschaft auch deren Angehörige sowie ambulante Pflegedienste. „Da wachsen wir gerade sehr stark. Die Pflegedienste sparen mit den Blistern etwa 20 Minuten Zeit pro Woche an Kommunikation. Da ist Bedarf vorhanden.“
Der Service kostet monatlich zwischen 5,90 und 9,90 Euro, je nach gewählter Leistung, wie beispielsweise Expressversand. Der durchschnittliche Patient habe sechs Verschreibungen, sagt Morawski. „Bei zwei rechnet es sich nicht und ergibt ja auch keinen Sinn.“ Die Rückmeldungen seien durchweg positiv. Bei der Kontrolle der Medikationspläne seien bereits verschiedene Fehler oder „Altbestände“ aufgefallen, deren Einnahme nicht mehr nötig gewesen sei.
Die Partner suchen jetzt Pilot-Apotheken, um das Modell weiter auszurollen. „Wir haben bereits einige Interessenten“, so Bernardo, der für Marketing und Software verantwortlich ist. Die Apotheke zahlt eine Grundgebühr und einen Blisterbeitrag pro Patient. „Zum Start können wir die Konditionen individuell besprechen.“ Die Nachfrage sei auch außerhalb von Berlin vorhanden. „Wir haben beispielsweise eine Kundin von Fehmarn.“ Attraktiv sei die Kundenbindung. „Gerade wenn wir an Versender denken. Bei einer Nutzerbefragung haben wir festgestellt, dass man 15 bis 20 Prozent mehr Rezepte erhält, wenn man die Hoheit über den Medikationsplan hat.“
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