EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides hat Fehler bei der Bestellung von Covid-19-Impfstoffen durch die Kommission im vergangenen Jahr eingeräumt. Bei einem nicht öffentlichen Treffen mit Vertretern des Bundesgesundheitsausschusses erklärte sie am Freitagvormittag, dass die EU-Kommission in ihrem neuen Vertrag mit Biontech und Pfizer erstmals fixe Liefertermine und Vertragsstrafen festgeschrieben hat.
„Ich habe es immer unterstützt, dass wir den Vertrag zügig unterzeichnen unter Berücksichtigung der Dinge, die wir gelernt haben“, erklärte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Freitagvormittag. Beinahe zeitgleich wurde Kyriakides gegenüber den Mitgliedern des Bundesgesundheits- und dem EU-Ausschuss noch deutlicher und erklärte, was das bedeutet: Die EU habe aus ihren Fehlern des vergangenen Jahres gelernt und im gestern unterzeichneten Vertrag mit Biontech und Pfizer erstmals monatliche Liefermengen und -termine festgeschrieben. Für den Fall von deren Nichteinhaltung seien Vertragsstrafen vereinbart worden.
„Heute waren von Frau Kyriakides erstaunlicherweise recht selbstkritische Töne zu hören“, sagt FDP-Gesundheitspolitiker und Ausschussmitglied Dr. Wieland Schinnenburg. „Ich freue mich, dass sie eingestanden hat, dass die Verträge im vergangenen Jahr unzureichend waren und dass bei jetzigen Verträgen Standards wie Liefertermine und Vertragsstrafen eingehalten wurden.“ Zahlen zu Einzelmengen und möglichen Strafen habe Kyriakides nicht genannt. Dafür ein ambitioniertes Ziel für die Impfkampagnen der EU-Staaten: Sie erwarte, dass noch im Juni 70 Prozent der EU-Bevölkerung mindestens ihre Erstimpfung erhalten haben werden.
Die Frage nach den Vertragsmodalitäten spielte zuletzt besonders im Streit mit AstraZeneca eine zentrale Rolle: Der britisch-schwedische Konzern hatte im ersten Quartal mit 30 statt 120 Millionen Dosen lediglich ein Viertel der zugesagten Anzahl an Impfstoffdosen geliefert. Im zweiten Quartal wird es voraussichtlich nicht viel besser aussehen: Bis Ende Juni sollen 70 der 180 Millionen vereinbarten Dosen ausgeliefert werden. Die EU hat deshalb im April beschlossen, den Rechtsweg zu gehen.
Parallel dazu fällte die Kommission die Entscheidung, künftig nicht mehr auf AstraZeneca zu setzen. Vorvergangene Woche wurde bekannt, dass sie für die Jahre 2022 und 2023 einen neuen Vertrag mit Biontech und Pfizer geschlossen hat: 900 Millionen Dosen bestellt sie fest mit der Option auf Verdopplung der Menge. Zwar äußert sich die EU nicht öffentlich zu den vereinbarten Preisen pro Dosis, dem Vernehmen nach liegen sie jedoch bei 19,50 Euro pro Dosis. Bei den vorherigen Bestellungen hatte sie Cormirnaty zu einem geschätzten Preis von 12 bis 15 Euro bezogen. Zum Vergleich: AstraZeneca liegt unter 2 Euro, Johnson & Johnson bei knapp 7 Euro, Moderna bei knapp 15 Euro. Curevac will für 10 Euro liefern – sobald sein Impfstoff zugelassen ist.
Kyriakides erklärte am Freitag gegenüber den Bundestagsabgeordneten, die EU sei zur Veröffentlichung der Verträge prinzipiell bereit, jedoch würden die Hersteller das verweigern. Der höhere Comirnaty-Preis könnte in Zusammenhang mit festeren Konditionen stehen, aber auch – oder gleichzeitig – ein Verhandlungsergebnis vor dem Hintergrund staatlicher Fördergelder sein, die mittlerweile ausgelaufen sind. Biontech hatte nach Kommissionsangaben allein von der EU 100 Millionen Euro erhalten, aus dem Bundeshaushalt waren im vergangenen Herbst noch einmal bis zu 375 Millionen Euro zur Beschleunigung der Entwicklung und Zulassung des Impfstoffs zugesagt worden. Die EU-Kommission betonte zuletzt auf Anfrage, dass sie sich zwar nicht konkret zum Preis äußere, aber bessere Konditionen erhalten habe als die Mitgliedstaaten in Einzelverhandlungen hätten erreichen können.
Spahn wiederum deutete am Freitag erneut an, dass er mit dem Fokus auf Biontech nicht uneingeschränkt zufrieden ist. Es sei wichtig, nicht nur auf ein Pferd zu setzen, das sehe auch die Mehrheit seiner EU-Amtskollegen so. Bereits vor zwei Wochen erklärte er, dass auch andere Hersteller zu Zuge kommen sollten – wer das sein könne, sei jedoch Sache von Verhandlungen. Dabei gehe es auch um verbindliche Lieferfristen, Vertragsstrafen oder Anpassungen an Mutationen oder Altersgruppen. Die Hersteller müssten entscheiden, wer dazu bereit sei, so Spahn: „Wir wollen, dass die Dinge von vornherein noch klarer sind.“
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