Rx-Boni bleiben für deutsche Apotheken verboten. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat soeben die Boni-Modelle von zwei Apotheken verboten, bei denen Einkaufsgutscheine abgegeben wurden. Kostenlose Zugaben in Verbindung mit der Abgabe verschreibungspflichtgier Arzneimittel werden künftig womöglich sogar noch strenger gehandhabt. Die gesetzlich vorgesehenen Ausnahmen wie Fahrtkostenerstattung oder Zeitschriften bleiben davon aber ausgenommen.
Der BGH hat in zwei Fällen entschieden: In einer Apotheke in Darmstadt gab es zum Rx-Medikament einen Brötchen-Gutschein für die nahe Bäckerei – der schon berühmte Ofenkrusti-Fall. Die Gerichte der Vorinstanzen hatten den Gutschein für unzulässig erklärt. Im zweiten Fall hatten Kunden einer Berliner Apotheke einen Ein-Euro-Gutschein für den nächsten Einkauf bekommen. Das Berliner Kammergericht hielt dies nicht für wettbewerbswidrig. Der BGH hat beide Modelle nun für unzulässig erklärt.
Der Umstand, dass es sich sowohl bei einem Brötchen-Gutschein als auch bei einem Ein-Euro-Gutschein um Werbegaben von geringem Wert handelt, ändere nichts an dem Verstoß gegen das Heilmittelwerbegesetz (HWG). Der Gesetzgeber sei bei seiner Anpassung im Jahr 2013 davon ausgegangen, „dass jede gesetzlich verbotene Abweichung vom Apothekenabgabepreis für verschreibungspflichtige Arzneimittel geeignet ist, einen unerwünschten Preiswettbewerb zwischen den Apotheken auszulösen“, so der BGH. Die eindeutige gesetzliche Regelung dürfe nicht dadurch unterlaufen werden, dass ein solcher Verstoß als nicht spürbar eingestuft und damit als nicht wettbewerbswidrig angesehen wird. „Ein Abstellen auf die finanzielle Geringwertigkeit der Werbegabe ist ausgeschlossen, nachdem die Preisbindung nach dem Willen des Gesetzgebers strikt einzuhalten ist“, so der BGH.
Damit weicht der BGH von seiner früheren Linie ab: Im September 2010 hatten die Karlsruher Richter eine Bagatellgrenze gezogen, wonach Rx-Boni in Höhe von einem Euro zumindest wettbewerbsrechtlich nicht spürbar und damit zulässig seien. Der Gesetzgeber hatte darauf aber reagiert und klargestellt, dass die Preisbindung keine Ausnahmen zulässt. „Der Verbraucher soll in keinem Fall durch die Aussicht auf Zugaben und Werbegaben unsachlich beeinflusst werden“, hieß es zur Begründung.
Diese Linie setzt der BGH mit seinem Urteil um. Das hatte der Vorsitzende Richter Thomas Koch schon in der mündlichen Verhandlung Ende März angedeutet. Denn alles andere würde aus seiner Sicht den Absichten des Gesetzgebers wohl zuwiderlaufen. Es stelle sich sogar die Frage, ob traditionelle Beigaben wie das Päckchen Taschentücher oder der Traubenzucker überhaupt noch erlaubt seien, sagte er damals. Heute stellte der BGH klar: Zuwendungen und sonstige Werbegaben dürfen nur angeboten, angekündigt oder gewährt werden, wenn eine der ausdrücklich geregelten Ausnahmen vorliegt. Ausdrücklich nennt das Gesetz etwa die Abgabe kostenloser Zeitschriften wie die Apotheken Umschau oder MyLife. Beim Verkauf nicht verschreibungspflichtiger Produkte bestehen diese Beschränkungen ohnehin nicht.
Das Boni-Verbot im HWG soll laut BGH „der abstrakten Gefahr begegnen, dass Verbraucher bei der Entscheidung, ob und gegebenenfalls welche Heilmittel sie in Anspruch nehmen, durch die Aussicht auf Werbegaben unsachlich beeinflusst werden“. Außerdem solle damit „ein ruinöser Preiswettbewerb zwischen den Apotheken verhindert und eine flächendeckende und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sichergestellt werden“. Der BGH bezieht sich also in seiner Begründung erneut auf genau das Argument für die Preisbindung, das der EuGH in seiner Boni-Entscheidung verworfen hatte.
Das EuGH-Urteil steht dem Boni-Verbot für deutsche Apotheken laut BGH nicht entgegen. Denn in Luxemburg hier sei es schließlich um einen Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit gegangen. „Auf innerstaatliche Sachverhalte ohne grenzüberschreitenden Bezug wie in den Streitfällen sind die Regelungen über die Warenverkehrsfreiheit allerdings nicht anwendbar“, so der BGH.
Das EuGH-Urteil führe auch nicht zu einer nach nationalem Verfassungsrecht unzulässigen Inländerdiskriminierung, führt der BGH weiter aus. Die Ungleichbehandlung beruhe auf sachlichen Gründen. Die Verhältnismäßigkeit der Preisvorschriften sei erst dann in Frage gestellt, "wenn der Gesetzeszweck infolge des Umfangs des Verkaufs preisgebundener Arzneimittel durch ausländische Versandapotheken nicht mehr allgemein erreicht werden kann oder die gesetzliche Regelung für inländische Apotheken angesichts des Konkurrenzdrucks aus dem europäischen Ausland nicht mehr zumutbar ist“.
Mit der Frage der Inländerdiskriminierung hatte sich der BGH unlängst schon befasst. Doch die Karlsruher Richter sahen im Verfahren um ein Bonus-Modell der Versandapotheke Apotal keine Notwendigkeit, Boni für alle zuzulassen. Zwar seien ausländische Versender seit der EuGH-Entscheidung privilegiert, der deutsche Gesetzgeber könne die Preisbindung im Inland aber immer noch mit der flächendeckenden Versorgung rechtfertigen. Erst wenn diese durch „Holland-Boni“ gefährdet wäre, hätte eine Klage demnach Aussicht auf Erfolg.
Auch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) wird sich mit der Frage befassen, ob man deutschen Apotheken die Gewährung von Rx-Boni verbieten darf, wenn dies ausländischen Versendern erlaubt ist. Inländerdiskriminierung lautet auch hier das Stichwort. Im Ausgangsstreit ging es um ein Paar Kuschelsocken.
Derweil hat der BGH in einem anderen Verfahren dafür gesorgt, dass sich der EuGH wohl noch einmal mit den Rx-Boni von DocMorris befassen muss. Das OLG Köln verbot die Freundschaftswerbung von DocMorris. Hier rechnete man damit, dass der BGH, dessen Rechtsprechung zu Rx-Boni sechs Jahre lang eindeutig war, sich in dem Fall zu den neuen Vorzeichen äußern oder den Fall sogar beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorlegen würde. Doch im November 2017 verwiesen die Richter aus Karlsruhe die Sache aus formalen Gründen zurück, ohne sich inhaltlich mit der Zulässigkeit von Rx-Boni zu beschäftigen.
Aus Sicht des BGH kann – auch nach dem EuGH-Urteil – nicht abschließend beurteilt werden, ob die deutsche Rx-Festpreisbindung mit EU-Recht vereinbar ist. Daher hätte das OLG kein Teilurteil erlassen dürfen. Das hängt aus Sicht der Richter damit zusammen, dass die Entscheidung zu den Rx-Boni von DocMorris „maßgeblich auf ungenügenden Feststellungen“ beruhte. Aus Sicht des BGH konnte der EuGH nicht alle Hintergründe kennen – weil das OLG Düsseldorf im damaligen Vorlageverfahren sie nicht mitgeliefert hatte. So hätten die Richter in Luxemburg nur „zusammengefasst und angenommen, die nationale Regelung sei nicht in einer Weise untermauert, die den Anforderungen der Rechtsprechung des Gerichtshofs genüge“.
Das OLG München hatte parallel in einem zwischenzeitlich ausgesetzten Verfahren des Bayerischen Apothekerverbands (BAV) gegen DocMorris die Bundesregierung aufgefordert, weitere Daten zu liefern. Berlin soll Argumente zur Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit der Arzneimittelpreisverordnung zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln liefern – also die Preisbindung begründen. In der Sache hatte das OLG nicht entschieden.
Die Regierung hat dem OLG noch nicht geantwortet. Allerdings hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) gegenüber der EU-Kommission in einem parallel laufenden Vertragsverletzungsverfahren mitgeteilt, dass das noch im Gesetz stehende Boni-Verbot für ausländische Versender gestrichen werden soll. So plant es Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zumindest in seinem „Apothekenstärkungsgesetz“. Der in der Koalition umstrittene Entwurf müsste als nächstes im Kabinett besprochen werden.
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