Kassenbuch

Scheine zählen, Münzen wiegen Lothar Klein, 27.06.2016 10:21 Uhr

Berlin - 

Nach langen Arbeitstagen in der Apotheke drängt es Mitarbeiter und Inhaber rasch in den wohlverdienten Feierabend. Doch zwischen Geschäftsschluss und Heimweg hat der Fiskus noch eine Hürde aufgebaut. Der Kassenbestand muss akribisch gezählt werden. Sonst droht Ärger mit dem Finanzamt. In jüngster Zeit sollen die Finanzbeamten immer häufiger das Kassenbuch penibel unter die Lupe nehmen.

Apotheker berichten vermehrt, dass Finanzämter genau prüfen, ob jede Kasse tagtäglich Cent genau gezählt wurde. Aber wie das zur Zufriedenheit der Prüfer zu geschehen hat, darüber herrscht vielfach große Unsicherheit: In einem Fall machte eine Betriebsprüferin schon vor längerer Zeit darauf aufmerksam, dass eigentlich jede Kasse einzeln und Cent genau gezählt werden muss. Weil aber die Daten der Apotheken-EDV mit der ausgezählten Gesamtsumme aller Kassen – bis auf eine leichte Abweichung beim Centbetrag – übereinstimmte, verzichtete die Prüferin auf eine Einzelabrechnung jeder Kasse. Das ist Ermessenssache.

In anderen Fällen gehen die Finanzämter offenbar pingeliger vor: Bis zum letzten Cent muss die Rechnung stimmen. Steuerberater raten ihren Apotheker folgerichtig zu einer exakten Einzelaufzeichnung. Jede Kasse muss vor dem Feierabend gezählt werden. Einige Steuerberater empfehlen sogar, alle Münzen und Scheine nach Wert und Menge gesondert aufzulisten.

Weil das mit erheblichen Aufwand verbunden ist, denken manche Apotheker über den Kauf einer Geldwaage und -zählmaschine nach. Die Geldwaage lässt sich an einen Computer anschließen. Dann werden Münzen und Scheine gewogen und gezählt. Das spart Zeit und die Ergebnisse werden im PC gespeichert. Mit circa 200 Euro erscheinen die Anschaffungskosten für die Geldwaage erschwinglich.

Steuerberater Dr. Bernhard Bellinger rät insgesamt zu großer Sorgfalt: „Das Zählen selbst muss Cent genau erfolgen. Die Rundung von Tageseinnahmen ist gefährlich, da sie einen Hinweis auf eine fehlerhafte Zählung des Bargelds darstellt und damit die Kassensturzfähigkeit fehlen lässt.“ Das könnte Folgen für die Anerkennung der Daten bei einer Betriebsprüfung haben, warnt der Fachanwalt für Steuerrecht.

Mehr noch: Wenn Apotheker – wie üblich - mehrere Geschäftskassen führen, so müssten auch „Geldverschiebungen“ zwischen diesen buchmäßig festgehalten werden. Außerdem seien die Anforderungen an die Aufzeichnung von baren Geschäftsvorfällen dann für jede der Unter- und Nebenkassen zu beachten, so Bellinger: „Die Kassensturzfähigkeit ist aus Sicht der Finanzverwaltung nur sichergestellt, wenn die Kassen einzeln gezählt werden.“ Allerdings werde das Kassenbuch einheitlich für alle Kassen geschrieben.

Das Zählergebnis in Form eines Zählprotokolls muss laut Bellinger zu Dokumentationszwecken aber nicht bei den Kassenbelegen abgeheftet werden, „sofern es unmittelbar nach dem Zählen in das Kassenbuch eingetragen wird“. Ein Zählprotokoll sei gesetzlich nicht vorgeschrieben.

Andererseits diene das Zählprotokoll im Falle einer Prüfung dazu nachzuweisen, dass tatsächlich gezählt worden ist. Aus dem Zweck des Zählprotokolls wiederum lasse sich ein Mindestinhalt herleiten. Dann sei es sinnvoll, die Stückelung aller Münzen und Geldscheine zu vermerken. Das diene den Finanzämtern als Nachweis, dass tatsächlich ausgezählt worden sei, so Bellinger.

Auch die Bundesregierung plant weitere verschärfte Maßnahmen gegen den Steuerbetrug mit Kassensystemen. Die Koalitionsfraktionen warten dazu immer noch auf einen Gesetzentwurf von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Bislang liegt nur ein Referentenentwurf vor, der noch in wesentlichen Punkten abgeändert werden soll. Dem Vernehmen nach gibt es im Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) und beim Normenkontrollrat Bedenken wegen der Bürokratiekosten.

Im März hatte Schäuble einen Referentenentwurf gegen Steuermanipulationen mit elektronischen Kassen vorgelegt: Demnach sollen Finanzbeamte auch in Apotheken unangemeldet Kassenprüfungen, Testkäufe und Observierungen vornehmen können. Dabei dürfen sie die Geschäftsräume betreten, in Ausnahmefällen auch die privaten Wohnräume gegen den Willen des Inhabers. Zudem werden die Kassensysteme lückenlos überwacht. Wer manipuliert, muss mit 25.000 Euro Strafe rechnen – zusätzlich zu den etwaigen Steuernachzahlungen. Der SPD gingen die Pläne nicht weit genug, sie fordert die Einführung einer Registrierkassenpflicht.