Für die Apothekern steht wieder einmal eine Grundsatzentscheidung an: Welche Daten müssen sie bei einer Betriebsprüfung an das Finanzamt herausgeben? Über die Ansprüche des Fiskus wird der Bundesfinanzhof (BFH) am 10. Dezember verhandeln. Drei Apotheker sind mit ihren Fällen bis nach München gekommen.
In den Verfahren geht es jeweils um die Kassenauftragszeile – die Betriebsprüfer wollten alle Einzeldaten aus der Warenwirtschaft einsehen. Da umstritten ist, ob Apotheken als Einzelhändler diese Daten überhaupt speichern und aufbewahren müssen, verweigerten die drei betroffenen Apotheker die Herausgabe.
Der Fiskus schätzte die Umsätze jeweils und forderte Nachzahlungen. Über den Steuerberater und Rechtsanwalt Dr. Bernhard Bellinger setzten sich die Apotheker rechtlich zur Wehr – bislang mit unterschiedlichem Erfolg: Zweimal entschied die Vorinstanz zu Gunsten der Apotheker, einmal gewann der Fiskus.
Das Hessische Finanzgericht in Kassel hatte im April 2013 den Anspruch des Fiskus auf Einzeldaten aus der Warenwirtschaft eines Apothekers zurückgewiesen. Die Anforderung des Finanzamtes sei „in Ermangelung einer die Datenanforderung stützenden gesetzlichen Grundlage rechtswidrig“, hieß es in der Begründung.
Das Finanzgericht hatte zwar Verständnis dafür, dass die Gesetzeslage „aus prüfungspraktischer Sicht ausgesprochen misslich“ sei. Das sei aber Sache des Gesetzgebers. Solange habe der Fiskus jedoch kein Zugriffsrecht. Das Finanzgericht hatte keine Revision zugelassen. Dagegen hatte das beklagte Finanzamt Bensheim Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH eingelegt und Recht bekommen. Im Sinne einer einheitlichen Rechtsprechung wird dieses Verfahren jetzt in München verhandelt.
Das Finanzgericht Sachsen-Anhalt hatte dagegen in erster Instanz dem Finanzamt Stendal recht gegeben. Grundsätzlich seien alle steuerrelevanten Informationen der Warenwirtschaft aufzubewahren, entschieden die Richter im Mai 2013.
Hier ging Bellinger in Revision. Er beruft sich auf frühere Entscheidungen des BFH: Demnach ist nicht alles, was für den Fiskus nützlich ist, auch aufzubewahren. Eine Pflicht zur Aufzeichnung jedes Einzelvorgangs bestehe im Einzelhandel aber gerade nicht, argumentiert der Steuerberater. Den „hemdsärmeligen Zugriff“ auf Daten der Apotheken-EDV vergleicht er mit einer Hausdurchsuchung ohne Durchsuchungsbeschluss.
Vor einem Jahr hatte dann auch das Finanzgericht Münster zugunsten des betroffenen Apothekers entschieden. Die Hinzuschätzung des Finanzamts Borken in Höhe von 40.000 Euro wurde zurückgewiesen. Der Fiskus hätte laut Gericht eine höchstrichterliche Rechtsprechung zur umstrittenen Frage der Aufzeichnungspflicht abwarten müssen. Die Vorgehensweise des Finanzamtes sei „schwerlich vereinbar mit dem Anspruch auf ein faires und geordnetes Verfahren“, hieß es in der Begründung.
Insofern steht es für die Apotheken vor dem Showdown in München 2:1 gegen den Fiskus. Wie die obersten Finanzrichter entscheiden, ist aber vollkommen offen. Sicher ist, dass das Urteil weitreichende Folgen haben wird: Entscheidet der BFH für die Apotheken, können die Finanzämter viele ihrer Hinzuschätzungen in die Tonne treten, im anderen Fall könnte eine Betriebsprüfungswelle auf die Apotheken zukommen.
Während das Bundesfinanzministerium (BMF) sich in dieser Frage naturgemäß auf die Seite der Finanzbehörden geschlagen hat, haben die Apotheker von anderer prominenter Stelle Unterstützung erhalten: Professor Dr. Klaus-Dieter Drüen, Inhaber des Lehrstuhls für Unternehmenssteuerrecht, Bilanzrecht und Öffentliches Recht an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und Richter am Finanzgericht (FG) Düsseldorf, hat sich in seinem Kommentar zum Steuerrecht explizit gegen eine Aufzeichnungspflicht der strittigen Daten in Apotheken ausgesprochen.
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