Betriebsprüfung

Steuerberater: Fiskus täuscht Apotheken Alexander Müller, 21.02.2013 15:28 Uhr

Absurde Hinzuschätzungen: Laut Steuerberater Dr. Bernhard Bellinger arbeiten die Betriebsprüfer mit einer fehlerhaften xls-Datei. Foto: Bellinger
Berlin - 

Die Finanzämter haben die Apotheken ins Visier genommen. Vor rund zwei

Jahren war erstmals von möglichen Steuernachzahlungen in Milliardenhöhe

die Rede. In Einzelfällen hat es tatsächlich sechsstellige

Hinzuschätzungen seitens des Fiskus gegeben. Doch laut Steuerberater Dr.

Bernhard Bellinger liegt das vor allem an einer fehlerhaften Datei der

Betriebsprüfer. Der Vorwurf wiegt schwer, denn Bellinger zufolge weiß

die Finanzverwaltung um ihren Fehler.

Es geht um eine Excel-Tabelle mit dem Titel „Verprobung“, die bei Betriebsprüfungen zum Einsatz kommt. Das Dokument sei „mit einer geradezu unglaublichen Fehlerhaftigkeit behaftet“, so Bellinger, Kopf der Steuerberatervereinigung Apo-Audit. In allen ihm bisher bekannten Fällen habe der Fiskus mit dem Einsatz dieser Datei „absurd hohe Hinzuschätzungen“ verlangt.

Fehler in der Aufbaulogik der Datei sowie beim Auslesen digitaler Daten führen laut Bellinger immer zu einem Ergebnis: Der Apotheker habe wahrscheinlich Einnahmen am Fiskus vorbei erzielt, und eine Hinzuschätzung sei unausweichlich.

Ein Fehler liegt Bellinger zufolge regelmäßig darin, dass beim Umsatz mit Privatrezepten der Bruttowert eingetragen wird, obwohl das System ansonsten Nettozahlen verwendet. Da der OTC-Anteil der Umsätze als Rest ausgerechnet wird, bleiben hier zwangsläufig viel geringere Margen – die auf eine Steuerhinterziehung hindeuten.

Beim Wareneinsatz werde außerdem mit vollkommen überhöhten Schätzwerten kalkuliert, kritisiert Bellinger. Der Bereich „Hilfsmittel und Sonstige“ etwa wird mit einem Aufschlag von 37 Prozent veranschlagt. Da der reale Betrag aus den CDs der Rechenzentren ausgelesen werden könne, bestehe keine Berechtigung für diese extrem falsche Schätzung, so Bellinger. Besonders absurd sei schließlich, dass der Kassenabschlag beim Rx-Wareneinsatz als „Einkaufsvorteil“ verrechnet werde.

Auf die System-Fehler habe man die Finanzverwaltung bereits mehrfach hingewiesen, so Bellinger. Dass die Datei trotzdem weiterhin verwendet werde, berührt Bellinger zufolge strafrechtlich relevante Bereiche: „Der Apotheker und sein Steuerberater werden mit den falschen Zahlen getäuscht und damit behauptet, dass ihretwegen eine Hinzuschätzungsbefugnis begründet sei“, kritisiert Bellinger.

Problematisch ist laut Bellinger, dass die Steuerberater nur mit großem Aufwand nachprüfen können, ob der Betriebsprüfer mit korrekten Zahlen gerechnet hat. Doch eine konkrete Analyse habe ergeben, dass durchschnittlich 70 Prozent der relevanten Zahlen in der verwendeten Datei falsch seien. Sollte das Dokument „Verprobung“ weiterhin in dieser Form eingesetzt werden, will er gegebenenfalls Strafanzeige einreichen.

Der Steuerberater streitet mit den Finanzbehörden bereits in einer anderen Sache vor Gericht. Dabei geht es um die Frage, auf welche Daten der Fiskus bei einer Betriebsprüfung überhaupt zugreifen darf. Der Apo-Audit-Frontmann hat seinen ausführlichen Schriftsatz zum Hauptsacheverfahren auf seiner Homepage veröffentlicht.

Andere auf Apotheken spezialisierte Steuerberatungsgesellschaften kritisieren Bellinger für dessen aggressives Vorgehen. Damit bringe er die Finanzbehörden erst recht gegen die Apotheken auf, so der Vorwurf.

Welche Strategie – Kooperation oder Konfrontation – die bessere ist, dürfte sich bald zeigen: Denn laut den Oberfinanzdirektionen wird es in diesem Jahr eine regelrechte Welle von Betriebsprüfungen in Apotheken geben.