Betriebsprüfung

Keine „Knallerfälle“ mehr in Apotheken

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Berlin -

Apotheken müssen sich bei einer Betriebsprüfung umfassend offenbaren. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. Und bald sollen auch noch alle Kassen im Einzelhandel mit Fahrtenschreibern überwacht werden. Wird der Fiskus jetzt Millionen an Steuernachzahlungen aus der Offizin absaugen? Wohl kaum. In den Finanzämtern herrscht derzeit eher Ernüchterung.

Vor etwa vier Jahren kursierte eine abenteuerliche Zahl: 4 Milliarden Euro sollte sich der Staat an Steuernachzahlungen allein von den Apothekern zurückholen können, wenn die Steuerfahndung durchgreifen würde. Im Durchschnitt wären das knapp 200.000 Euro Nachzahlung pro Apotheke gewesen.

Zum Vergleich: Zu dieser Zeit hatte eine typische Apotheke einen Jahresumsatz von 1,3 Millionen Euro und ein Betriebsergebnis von 65.000 Euro. Um der Staatskasse zusätzliche 4 Milliarden zuzuführen, hätte quasi jeder Apotheker massiv Steuern hinterziehen müssen – oder etliche Pharmazeuten gar nichts an Finanzamt abgeführt haben.

Tatsächlich fußte diese Mondsumme auf Hochrechnungen mit grob vereinfachten und teilweise falschen Annahmen: Zahlen aus extremen Einzelfällen wurden auf die gesamte Branche übertragen. Als Umsatzrendite veranschlagte der Fiskus bei Hinzuschätzungen zudem noch immer 28 Prozent – davon können Apotheker seit Jahren nur träumen.

So falsch die Zahlen waren – die Richtung war vorgegeben: Der „Außendienst“ des Finanzamtes sollte verstärkt in die Offizin geschickt werden. Der Fiskus rüstete nicht nur technisch auf, um Steuerhinterziehung bei Registrier- und PC-Kassen aufzudecken, sondern schulte auch sein Personal. Mitarbeiter wurden in die Funktionsweisen der gängigen Apotheken-Softwaresysteme eingeführt, Taskforces gebildet.

Selbst bei einem Treffen der Vertreter der Oberfinanzdirektionen (OFD) der Bundesländer wurde plötzlich über Apotheken gesprochen. Dass ausgerechnet diese systematisch mit sogenannten „Zappern“ ihre Umsätze künstlich klein gerechnet haben sollten, erschien zuvor als unvorstellbar. Die Zahl der Betriebsprüfungen in Apotheken stieg spürbar an, regional sogar sprunghaft.

Das Ganze gipfelte in einer Durchsuchung beim Softwarehaus Lauer-Fischer. Die Steuerfahndung besuchte in einer konzertierten Aktion gleich alle 17 Standorte der heutigen CompuGroup-Tochter. Der Verdacht: Mitarbeiter des Softwarehauses sollen an der Programmierung und dem Vertrieb von Zappern beteiligt gewesen sein. Doch die Sache verlief offenbar im Sande.

Auch bei den folgenden Betriebsprüfungen in Apotheken gab es einen Hemmschuh für den Fiskus: Die Steuerberater der Apotheker gaben nicht immer alle Daten Preis, die sich der Betriebsprüfer für seine Auswertungen wünschte. Der Fiskus habe nämlich gar keinen Anspruch auf alle Kasseneinzeldaten, so das Argument. An der Spitze dieser Bewegung stand der Düsseldorfer Rechtsanwalt und Steuerberater Dr. Bernhard Bellinger, der mit mehreren seiner Mandanten vor Gericht zog. Drei Verfahren um die Auskunftspflicht brachte Bellinger sogar vor den BFH – mit schlechtem Ausgang für die Apotheken.

Die Münchener Richter entschieden im Dezember, dass das Finanzamt sehr wohl Anspruch auf die Informationen aus der Warenwirtschaft hat. Die Daten müssten aufgezeichnet werden, nur in Ausnahmen seien Einzelhändler davon befreit, wenn die Aufzeichnung eine unzumutbare Belastung sei, so das Argument. Dies könne für Apotheker nicht gelten, da die EDV die Daten sowieso speichere.

Bellinger will zwar noch weiter gegen den Datenhunger des Fiskus kämpfen und einen neuen Fall vor den BFH bringen. Doch aktuell spricht alles für die Finanzbehörden. Mit der geplanten Einführung von Sicherungssystemen wie INSIKA (Integrierte Sicherheitslösung für messwertverarbeitende Kassensysteme) dürfte ohnehin eine Gesetzesklarstellung zur Aufzeichnungspflicht einhergehen.

Dennoch rechnet bei der Finanzverwaltung kaum noch jemand damit, dass bei den Apotheken wirklich viel zu holen ist: Man habe gar keine „Knallerfälle“ mehr in Apotheken, heißt es etwas kleinlaut bei einer OFD. Nachzahlungen bewegten sich heute allenfalls im Rahmen von ein paar Tausend Euro. Da immer mehrere Jahre geprüft werden, entstehen solche Beträge schon bei kleineren Versehen in der Buchung.

Die Rechtsprechung mag ihr übriges getan haben, dass die EDV-Anbieter einen Betrug mit ihren Systemen möglichst zu verhindern suchen: Laut einem Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz (FG) haftet nämlich der Softwareanbieter für die hinterzogenen Steuern, wenn er Manipulationssoftware für seine Systeme zur Verfügung stellt. Das Gericht verurteilte den Geschäftsführer der Softwarefirma zur Zahlung von 1,6 Millionen Euro.

In diesem Fall ging es um ein Eiscafé. In dieser Branche gebe es jedes Jahr eine neue Version von Zappern, berichtet ein Steuerfahnder. Es gibt zwar auch belegte Fälle, bei denen Apotheker mit Manipulationssoftware illegal Steuern gespart haben. Aber das scheint der Vergangenheit anzugehören. Jedenfalls seit 2011 seien die Softwaresysteme der Apotheker sicher, heißt es. Es sieht also so aus, als müsste sich Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) seine 4 Milliarden Euro woanders abholen.

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