Im Streit um die Daten-CDs bei Betriebsprüfungen wendet sich das Blatt: Das Hessische Finanzgericht in Kassel hat den Anspruch des Fiskus auf Einzeldaten aus der Warenwirtschaft eines Apothekers zurückgewiesen. Das Urteil könnte enormen Einfluss auf künftige Prüfungen haben, ist aber noch nicht rechtskräftig.
Das Finanzamt Bensheim in Hessen hatte von einem Apotheker die Herausgabe der Kassenauftragszeile verlangt. Dieser klagte gegen die Datenanforderung und bekam nun in erster Instanz Recht: In der gestrigen mündlichen Verhandlung hat das Finanzgericht entschieden, dass für diese Daten keine Einzelaufzeichnungspflicht besteht. Entsprechend müsse der Apotheker die Daten auch nicht herausrücken. Die Urteilsbegründung steht noch aus.
Erst im Januar hatte das Finanzgericht Sachsen-Anhalt in einem Eilverfahren genau anders entschieden: Der Apotheker musste die Daten abliefern. Allerdings wird hier noch in der Hauptsache verhandelt. In beiden Fällen vertritt der Steuerberater und Rechtsanwalt Dr. Bernhard Bellinger die Apotheker. Er verspricht sich von dem neuen Urteil aus Hessen eine Signalwirkung – auch für ein mögliches Revisionsverfahren vor dem Bundesfinanzhof (BFH). Denn es dürfte als sicher gelten, dass das Finanzamt eine höchstrichterliche Klärung anstrebt.
Trotzdem ist ein Erfolg in erster Instanz laut Bellinger viel wert: Schließlich nehme der BFH die meisten Verfahren mit Verweis auf frühere Entscheidungen gar nicht erst an. In diesem Fall wäre das Kasseler Urteil rechtskräftig, und die Folgen für künftige Betriebsprüfungen laut Bellinger weitreichend.
Der Fiskus begründe die meisten Hinzuschätzungen nämlich genau über die Datenbasis, auf die es nach dem aktuellen Urteil eben kein Zugriffsrecht gebe, so Bellinger. Nach seiner Schätzung dürften zurzeit mindestens 300 Betriebsprüfungen gegen Apotheker mit Hinzuschätzungen laufen. Überprüfbar ist diese Zahl allerdings nicht.
Einen Seitenhieb auf die Konkurrenz kann sich der Steuerberater nicht verkneifen: Während die in der Apo-Audit vernetzten Kanzleien den Datenzugriff schon seit 2010 verweigerten, hätten andere Kanzleien diese Daten zur Verfügung gestellt und sich teilweise auf Hinzuschätzungen verständigt. „Da werden einige Kanzleien jetzt auch Erklärungsbedarf gegenüber ihrer Apotheker-Mandantschaft haben“, so Bellinger. Seine Argumentation will er demnächst auf seiner Homepage veröffentlichen.
Noch ist allerdings nichts gewonnen: Nicht nur der BFH kann noch zugunsten des Fiskus entscheiden. Auch der Gesetzgeber könnte über eine Änderung der Abgabenordnung festlegen, dass für die Einzelkassendaten eine Aufzeichnungspflicht – und damit ein Zugriffsrecht für das Finanzamt – besteht. Diese Änderung würde aber natürlich nicht rückwirkend gelten.
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