Finanzamt verlangt QMS für Apotheken-EDV Alexander Müller, 06.03.2017 10:12 Uhr
Apothekern droht ein weiterer Fallstrick bei der Betriebsprüfung. Nach Aussagen aus den Finanzämtern sollen die Außenprüfer künftig verstärkt nach Mängeln in der Verfahrensdokumentation suchen. Wenn dabei nicht alles stimmt, drohen bei der Prüfung unmittelbar Hinzuschätzungen. Im kommenden Jahr folgt eine weitere gesetzliche Verschärfung. Dann könne der Fiskus sogar „überfallartig“ zur Prüfung erscheinen, warnt Steuerberater und Rechtsanwalt Dr. Bernhard Bellinger.
Bundestag und Bundesrat hatten Ende 2016 nach langer Auseinandersetzung das Gesetz „zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen“ beschlossen. Die Bundesregierung will damit Steuerbetrug durch Tricks an elektronischen Registrierkassen bekämpfen. Finanzbeamte dürfen in Apotheken ab 2018 unangemeldete Kassenprüfungen durchführen, die sogenannte „Kassennachschau“. Ab 2020 besteht zudem auch für Apotheken eine Bonpflicht.
Bellinger zufolge zieht die Finanzverwaltung aber schon jetzt die Zügel bei den Betriebsprüfungen von Apotheken an. Demnach fand im Oktober 2016 eine zweiwöchige Schulung der Betriebsprüfer zu den GoBD statt. Die Abkürzung steht für Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff. Hinzu kam den Informationen zufolge eine interne zweitägige Schulung mit dem Seminarthema: „Hinzuschätzungen wegen Mängeln der Verfahrensdokumentation“.
Auf die interne Vorbereitung haben Finanzbeamte im Rahmen von Vorträgen hingewiesen, bei denen Bellinger zugegen war. Dabei sei er von einem hochrangigen Finanzbeamten sogar persönlich angesprochen worden, da man sich kenne. Dieser habe Ende September erklärt: „Eine Kasse so zu führen, wie die Finanzverwaltung das will, ist fast unmöglich. Das kriegen selbst Sie bei einer Apotheke nicht hin.“
Aktuell sei es ein „beliebtes Steckenpferd“ der Außenprüfer, von der Apotheke eine umfassende Verfahrensdokumentation abzufragen. Dazu sind Apotheken Bellinger zufolge aber regelmäßig nicht in der Lage – jedenfalls nicht in dem Umfang, den die Betriebsprüfer für das Minimum hielten. „Und dann wird auch schon sofort losgeschätzt“, berichtet der Steuerberater.
Den Apothekern könne er nur den Rat geben, die Verfahrensdokumentationen nicht länger vor sich her zu schieben. Schriftlich festgehalten werden dabei müssen unter anderem alle Prozessabläufe rund um die Apotheken-EDV. Es klingt trivial, aber die wenigsten Apotheken dürften eine schriftliche Anweisung an das Team haben, wie sie mit der Software umzugehen haben.
Doch genau dieses wird Bellinger zufolge immer öfter verlangt. Dabei kann sich der Fiskus auf eine Entscheidung des Bundesfinanzhofes (BFH) stützen. Dieser habe im März 2015 „die Jagd eröffnet“, als er eine fehlende Verfahrensdokumentation für das Kassensystem eines Brauhauses als ausreichenden Grund erklärte, die Buchführung komplett zu verwerfen. „Die dort allerdings recht extreme Ausgangssituation wird heute von vielen Betriebsprüfern auf Apotheken übertragen, die keine ausreichende Verfahrensdokumentation haben“, so Bellinger.
Ganz so einfach ließe sich das in der Praxis sicher nicht umsetzen. Aber der Steuerberater erlebt immer öfter, dass Betriebsprüfer wegen vermeintlicher formeller Mängel zwischen 3 und 8 Prozent hinzuschätzen. Da dies für jedes Jahr berechnet wird, können auch für Apotheken schnell existenzgefährdeten Summen dabei herauskommen.
„Richtig spannend wird es dann am 1. Januar 2018, wenn die Kassennachschau (§ 146 b AO) kommt. Dann finden Betriebsprüfungshandlungen überfallartig im praktisch rechtsfreien Raum statt“, so Bellinger. Das „Kassenmanipulationsgesetz“ sieht für die verschiedenen Regelungen unterschiedliche Übergangsfristen vor.
Apotheken haben damit quasi keine Zeit, sich auf den Besuch des Finanzamtes vorzubereiten. Das könnte beim Kassenbuch für viele Apotheken zum Problem werden. Denn längst nicht in jeder Apotheke wird das Kassenbuch jeden Abend auf den aktuellen Stand gebracht. Bellinger warnt: „Wer sein Kassenbuch vom letzten Abend nicht vorlegen kann, kommt an einer Hinzuschätzung wegen fehlender Kassensturzfähigkeit praktisch nicht mehr vorbei.“ Ein Finanzbeamter habe im Rahmen einer Veranstaltung referiert, dass in NRW dafür bereits Personal geschult werde.