Welche Abverkaufsdaten dürfen Betriebsprüfer von Apotheken verlangen? Diese Frage soll demnächst vor dem Bundesfinanzhof (BFH) geklärt werden. Für die Finanzbehörden ist es der wichtigste Prozess des Jahres; teilweise liegen sogar Betriebsprüfungen auf Eis. Der Ausgang des Verfahrens ist noch vollkommen offen: Während das Bundesfinanzministerium (BMF) die Position vertritt, dass der Fiskus schon aus Prinzip Anspruch auf die Informationen hat, bekommen die Apotheker jetzt Unterstützung im wichtigsten Standardwerk auf dem Gebiet des Steuerverfahrensrechts.
Zum Steuerrecht gibt es verschiedene Kommentare, die für Gerichtsentscheidungen regelmäßig herangezogen werden, schon weil sie oft von Richtern verfasst werden. Standardwerk in Sachen Abgabenordnung ist der Tipke/Kruse. Der Großkommentar wird seit den 1960er Jahren als Loseblattsammlung herausgegeben.
In der aktuellen Nachlieferung nimmt Professor Dr. Klaus-Dieter Drüen, Inhaber des Lehrstuhls für Unternehmenssteuerrecht, Bilanzrecht und Öffentliches Recht an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und Richter am Finanzgericht (FG) Düsseldorf, explizit zu der Frage Stellung, inwieweit Apotheken ihre Abverkäufe protokollieren müssen.
Wörtlich heißt es: „Bei Einzelhändlern ist typischerweise eine Aufzeichnung des Warenausgangs wegen des unübersehbaren und großteils anonymen Abnehmerkreiss nicht durchführbar [...]. Das rechtfertigt den typisierenden Verzicht des Gesetzes auf die Aufzeichnung des Warenausgangs. Dieser umfasst auch Fälle, in denen eine Erfassung der Verkäufe an Endverbraucher aufgrund besonderer Umstände denkbar wäre.“ Drüen verweist bezeichnenderweise auf die Entscheidung des FG Münster, über die vor dem BFH gestritten wird.
Beim BFH liegen aktuell drei Verfahren zu diesem Sachverhalt. Gestritten wird in parallelen Konstellationen, ob der Fiskus Anspruch auf die Kassenauftragszeile hat – also alle Einzeldaten aus der Warenwirtschaft. Der Steuerberater Dr. Bernhard Bellinger streitet dies ab und führt die Verfahren gegen die Finanzämter.
Die Vorinstanzen hatten unterschiedlich entschieden: Wie später das FG Münster hatte das Hessische FG in Kassel im April 2013 den Anspruch des Fiskus im April zurückgewiesen. Das FG des Landes Sachsen-Anhalt hatte sich dagegen im Mai 2013 auf die Seite des Fiskus gestellt.
Die Finanzämter vertreten die Ansicht, der BFH habe Einzelhändler mit einer Entscheidung von 1966 von der Aufzeichnungspflicht zwar befreit, jedoch lediglich aus „Zumutbarkeitsgründen“. Diese Grenze sei im „Computerzeitalter“ völlig anders zu setzen.
Unterstützung bekommen die Betriebsprüfer vom BMF: Die Apotheken seien zur Herausgabe der Einzeldaten verpflichtet, weil die Daten im Warenwirtschaftssystem ohnehin gespeichert würden, heißt es in einer Stellungnahme zum Verfahren.
Lediglich aus Gründen der Unzumutbarkeit könne sich eine Ausnahme von der Pflicht ergeben, Kasseneinzeldaten aufzuzeichnen und aufzubewahren: „Dieser Aufnahmetatbestand ist jedoch nicht erfüllt, wenn – wie im vorliegenden Fall – Kasseneinzeldaten tatsächlich technisch, betriebswirtschaftlich und praktisch erhoben werden und vorliegen“.
Bellinger widerspricht: Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sei „nicht alles, was zum Verständnis betrieblicher Daten nützlich ist, aufzubewahren, sondern nur das, was zum Verständnis und zur Überprüfung aufzeichnungspflichter Daten erforderlich ist“. Der Fiskus könne sich „seine Speisekarte nicht selbst schreiben“. Er warnt vor einer „unkontrollierbaren Ausweitung des Prüfungsumfangs“. Schon Ende 2012 hatte er Rückendeckung vom Institut der Wirtschaftsprüfer bekommen. Einen Termin für die Verhandlung in München gibt es noch nicht.
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