Der Bundesfinanzhof (BFH) hat im Dezember entschieden, dass die Finanzämter bei der Betriebsprüfung von Apotheken weitgehende Zugriffsrechte haben. Zwar liegen die Urteilsgründe noch nicht vor, doch die Steuerberatungskanzlei Schneider+Partner aus München, Dresden und Chemnitz bereitet ihre Mandanten schon darauf vor, dass der Aufwand vermutlich größer wird: „Die Warenwirtschaft ist künftig komplett Teil der Buchhaltung“, so Steuerberater und Rechtsanwalt Stefan Kurth. Parallel laufen Gespräche mit den Softwarehäusern.
Der BFH hat im Dezember in drei Verfahren entschieden, dass die Finanzämter Anspruch auf die Kassenauftragszeile aus der EDV haben. Die Apotheken unterliegen demnach einer Einzelaufzeichnungspflicht und müssen bei einer Prüfung alle Daten in digitaler Form an den Fiskus abgeben.
Die Steuerberater haben zwar noch Hoffnung, erneut vor den BFH zu kommen und vor dem Großen Senat eine andere Entscheidung zu erwirken. Die Ausgangslage für die Finanzverwaltung habe sich insgesamt aber deutlich verbessert. Weil der Fiskus das aktuelle Urteil für sich nutzen werde, sollten sich die Apotheker lieber gut vorbereiten, rät Kurth.
Entscheidend sei die Kongruenz der Zahlen verschiedener Datensysteme – also Warenwirtschaft, Rezeptabrechnung und Finanzbuchhaltung. In den Fällen, in denen der Fiskus bei Prüfungen bereits Zugriff auf die Einzeldaten hatte, sei es immer wieder zu nicht erklärbaren Bestandsdifferenzen gekommen. Auch beim Vergleich laut Warenwirtschaft abgerechneter Rx-Packungen und den Daten der Rezeptabrechner gebe es Lücken. Kurth betont, dass dahinter kein unlauteres Verhalten stecke, sondern meist nur eine Erklärung für systembedingte Abweichungen fehle.
Mit den Softwarehäusern laufen aktuell schon Gespräche, wie die bestehenden Schnittstellen genutzt oder verbessert werden müssen. In der kommenden Woche trifft sich Kurth in München mit Vertretern von Awinta. Der Steuerberater will einen automatischen Abgleich der Finanzbuchhaltung mit Daten der Warenwirtschaft ermöglichen. Ziel sei ein Warnsystem, das Abweichungen frühzeitig erkenne und damit die Chance einer zeitnahen Analyse ermögliche.
Denn aktuell besteht das Problem darin, dass die beanstandeten Vorfälle zum Zeitpunkt der Prüfung schon Jahre zurückliegen und sich kaum noch rekonstruieren lassen. Mit dem Zugriff auf mehr Daten könnte sich der Fiskus solche Ungereimtheiten künftig zu Nutze machen: „Offenbar ist es Ziel der Finanzverwaltung, durch diese Verprobung die Ordnungsmäßigkeit der Buchhaltung im Ganzen zu erschüttern, um dann das Spielfeld der Hinzuschätzung zu erreichen“, so Kurth.
Unabhängig von technischen Voraussetzungen zum Austausch mit der EDV sollten die Apotheken laut Schneider+Partner selbst verschiedene Maßnahmen ergreifen, um künftige Betriebsprüfungen zu bestehen: So sollten etwa Differenzen zwischen GKV-Positionen laut Warenwirtschaft und Rezeptabrechnung monatlich und mit Begründung dokumentiert werden. Bestandsdifferenzen und Verfall sollten ebenfalls sofort erfasst und von mindestens zwei Verantwortlichen abgezeichnet werden. Auch müssten Rezepte jeweils monatsgenau beim Rechenzentrum eingereicht werden.
Apotheker sollten sich außerdem jede Retoure vom Kunden unterzeichnen lassen und das Kassensystem auf nicht nachvollziehbare Statusänderungen und Rabatte für Patienten – auch durch Mitarbeiter – kontrollieren. In diesem Zusammenhang sei auch eine Zugangskontrolle zu den Kassen wichtig. Die bloße Zuweisung von Bediennummern reiche nicht aus, so Kurth. Private Entnahmen sollten nur über ein separates Konto in der Warenwirtschaft erfolgen.
Nachgereichte Rezepte oder eine hinter dem Bilanzstichtag liegende Rechnungslegung sollten ebenso dokumentiert werden, empfiehlt der Steuerberater. Alle Bewegungs- und Inventurdaten zum Stichtag sollten konsequent gesichert werden. Zeitlich begrenzte Sonderangebote und Preisänderungen für Sicht- und Freiwahl seien ebenfalls festzuhalten.
Zuletzt weist Kurth noch darauf hin, dass die Schnittstellen heute schon so gut wie möglich genutzt werden sollten. So könnten etwa alle Ausgangsrechnungen und das Kassenbuch täglich aus der Warenwirtschaft online in die Finanzbuchhaltung übertragen werden. Die richtige Führung einer Kasse sei jedoch nicht aus aus steuerrechtlichen Gründen zwingend notwendig, betonen die Steuerberater. Einzelne Gerichte hätten trotz wirksamer Selbstanzeige bei Steuerdelikten sogar schon die Betriebserlaubnis widerrufen.
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