Rabatte auf Rezepte sind verboten, doch sind umgekehrt Zugaben ohne konkreten Bezug immer erlaubt? Nein, findet die Apothekerkammer Nordrhein (AKNR): Auch Gewinnspiele haben aus Sicht der Rechtsabteilung in der Apotheke nichts zu suchen. Zwei Apotheken, die sehr großzügige Prämien ausgelobt hatten, wurden bereits wegen Verletzung der Berufspflichten zu Geldbußen verurteilt.
In beiden Fällen wurden die Kunden mit der Aussicht auf attraktive Gewinne gelockt, ganz nach dem Konzept der Werbegemeinschaft MAK (Marketing für aktive Kollegen). Eine Apotheke hatte im Juni 2015 Sachprämien im Gesamtwert von knapp 3800 Euro verlost: Hauptpreis war ein Piaggio-Motorroller im Wert von 2590 Euro, außerdem gab es einen Fernseher im Wert von 889 Euro und eine Eismaschine im Wert von 280 Euro. Auf den Flyern der Apotheke waren jeweils vier individuelle Gewinnlose abgedruckt, pro Woche konnte ein Code in der Apotheke eingescannt werden.
In der anderen Apotheke konnten Kunden im August 2016 jede Woche Bargeld gewinnen: 1000 Euro, 750 Euro oder 500 Euro. Auch hier wurden auf einem Beileger zur Wochenzeitschrift „Super Sonntag“ vier unterschiedliche Gewinncodes abgedruckt, von denen jeweils einer pro Woche in der Apotheke eingelöst werden konnte.
Die Apothekerkammer sah einen Verstoß gegen das Verbot übertriebener Werbung gemäß § 18 Berufsordnung (BO) und leitete Verfahren wegen Verletzung der Berufspflichten ein. Die Apotheker rechtfertigten sich damit, dass sie als Kaufleute im Wettbewerb stünden. Gewinnspiele seien nichts Ungewöhnliches, teilweise hätten ausländische Versender, die übrigens vom Berufsrecht nicht erfasst würden, viel höhere Beträge ausgelobt. Es liege auch nicht im Ermessen der Kammer, eigenmächtig festzulegen, ab welcher Gewinnsumme eine Verlosung gegen die Berufsordnung verstoße. Und zu guter Letzt: Weder sei die Versorgung anderer Patienten gestört, noch seien Kunden zum Kauf gedrängt worden.
Doch das Berufsgericht für Heilberufe in Köln folgte der Kammer und verdonnerte die Apotheker zu Geldbußen von jeweils 500 Euro. Kammerangehörige seien gemäß Heilberufegesetz (HeilBerG) verpflichtet, ihren Beruf gewissenhaft auszuüben und dem ihnen entgegengebrachten Vertrauen zu entsprechen. Wettbewerb sei laut § 18 BO verboten, wenn er unlauter sei – nicht erlaubt sei Werbung, die irreführend sei oder nach Form, Inhalt oder Häufigkeit übertrieben wirke, sowie Werbung, die einen Mehr- oder Fehlgebrauch begünstige. Außerdem dürfe sie nicht dem beruflichen Auftrag, die ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sicherzustellen, widersprechen.
Werbeverbote und -beschränkungen seien zwar ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit, aber verfassungsrechtlich unbedenklich: Denn trügen dazu bei, dass der Berufsstand seine Aufgaben ordnungsgemäß erfülle, indem sie einerseits das berufliche Verantwortungsgefühl stärkten, andererseits das Vertrauen der Öffentlichkeit in die berufliche Integrität der Apotheker erhielten und förderten. „Die Bevölkerung soll darauf vertrauen dürfen, dass der Apotheker – obwohl auch Gewerbetreibender – sich nicht von Gewinnstreben beherrschen lässt, sondern seine Verantwortung im Rahmen der Gesundheitsberufe wahrnimmt.“
Zwar dürften Apotheker grundsätzlich werbend auf sich aufmerksam machen, die Gewinnspiele waren aber aus Sicht des Berufsgerichts als übertriebene Werbung zu werten. Es sei nämlich durch die vier wöchentlichen Lose ein Anreiz geschaffen worden, die Apotheke viermal innerhalb eines Monats aufzusuchen. Dies mache es wahrscheinlich, dass auch Personen, die eigentlich nur an dem Gewinnspiel teilnehmen wollten, Arzneimittel kauften, die unter Umständen gar nicht benötigt würden. Verstärkt wurde dieser Anreiz im Falle der Zeitungsbeilage durch den vergleichsweise großen Adressatenkreis und dadurch, dass in der Anzeige außerdem Arzneimittel zu herabgesetzten Preisen beworben wurden.
Angesichts des relativ langen Zeitraums konnte laut Gericht bei Kunden außerdem der Eindruck entstehen, dass das Apothekenpersonal sich nicht mit der Kernaufgabe der Arzneimittelversorgung und -beratung beschäftige, sondern „mit Aufgaben, die allein der werbenden Gewinnerzielung dienen“.
Wesentlich sei zudem, dass eine Beeinträchtigung der ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung nicht ausgeschlossen war, da die Kunden unmittelbar nach dem Einscannen des Loses unterrichtet wurden, ob sie einen der Hauptpreise gewonnen hatten. „Dadurch erhielt das Gewinnspiel in der Apotheke einen Eventcharakter, der mit einer seriösen Arzneimittelversorgung nicht mehr vereinbar ist.“
Noch deutlicher wurden die Richter im Fall der Bargeldgewinne: „Die mit der Übergabe der Preise an die Gewinne verbundenen Umstände, insbesondere die Freudenreaktionen der Gewinner über die ausgelobten Geldgewinne ist mit der den Apotheken auferlegten Pflicht zur ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung nicht vereinbar.“ Insbesondere Kunden, die die Apotheke schwer erkrankt aufsuchten und eine vertrauliche Beratung wünschten, könnten sich erheblich gestört fühlen.
Ob die „nicht unwesentliche“ Höhe der ausgelobten Gewinne für sich allein gegen Berufsrecht verstießen, ließen die Richter offen. In der Gesamtschau sei von einer übertriebenen Werbung auszugehen.
Eine Vorlage des Falls an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) war aus Sicht des Berufsgerichts nicht angezeigt, da berufsständische Verhaltenskodizes und andere Regeln für reglementierte Beruf vom Anwendungsbereich des EU-Rechts ausgenommen seien. Anders als eine entsprechende EU-Richtlinie diene die BO nicht dem Verbraucherschutz, sondern der Integrität der Apotheker. „Für diesen Bereich steht es den Mitgliedstaaten frei, den Angehörigen des jeweiligen Berufsstandes strengere Vorgaben zu machen, als es der Verbraucherschutz erfordert.“
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