Wann hat das nur angefangen, dass aus Apotheken Süßwarenläden und Kosmetikshops wurden? Diese Frage stellt sich die Berliner Zeitung unter der Überschrift „Liebe Apotheker, bitte mehr Mut zum Medikament!“ In ihrem Beitrag schildert Karin Stemmler, Ombudsfrau für Leserfragen, ihre persönlichen Apotheken-Erlebnisse als Geduldsprobe.
Nach einem Arztbesuch steht Stemmler nun in einer mehr als 100 Jahre alten Offizin und wundert sich: Die sei zwar hübsch anzusehen „mit dem damals üblichen dunklen Interieur“. Doch das Sortiment sehe genauso aus wie in den drei modernen Apotheken, die sie zuvor schon aufgesucht hatte: „Außer einem kleinen Posten Pflaster gibt es nichts, was an Versehrte oder Kranke erinnern würde“, so Stemmler.
Bonbons, Bitterschokolade, Babycreme, Pflege für die reifere Haut und „1000 Sorten Diätpülverchen“ sind nicht das, was die Ombudsfrau in der Apotheke erwartet. Am schlimmsten findet sie die Auslage an der Kasse: Veganes Badesalz, seit 123 Jahren am Markt. „Ich ringe um Fassung. Veganes Badesalz. Gab es das Wort vegan damals überhaupt schon?“
Mehr noch: Offenbar konnten schon die drei zuvor besuchten Apotheken Stemmler bei ihrem eigentlichen Anliefen nicht sofort weiterhelfen: „Mein Rezept ruht immer noch auf dem Tresen, während ich die gesamte Auslage gescannt habe und innerlich koche, weil ich weiß, was kommt. Die Apothekerin tippt schweigend auf ihrer Computer-Tastatur herum.“
Das Rezept habe nur drei Positionen und sie selbst kein seltenes tropisches Fieber, auch leide sie nicht an einem eben erst mutierten Erreger. Sie habe nur Krankheiten, wie jeder vierte Deutsche auch. Und dann das: „Ich warte auf den verhassten Satz. Und da ist er: „Darf ich Ihnen das … bestellen?“
Innerlich droht die Ombudsfrau jetzt überzukochen, der Blutdruck steigt: „Nein, darfst du nicht!, schreie ich still. Schmeißt den Diätkram und die Faltenlotionen raus und nutzt die Regale und Lager für Medikamente. Für Blutdrucksenker, Blutverdünner, Schilddrüsentabletten und Insulinpräparate. Was der Mensch halt zum Leben so braucht. Und wenn euch das 'System' keine Chance lässt, als Apotheker mit Salben und Tabletten zu überleben, statt mit Salbeibonbons, dann wehrt euch!“ Sogar an der Seite der Apotheker demonstrieren würde Stemmler.
Zum Äußersten kommt es aber wohl nicht. Denn als Ombudsfrau der Berliner Zeitung ist man Kummer gewohnt und in Geduld geübt. „Ruhig und höflich“ habe sie die Apotheke verlassen und sogar noch einmal freundlich dabei genickt. Und wiederkommen will sie auch mit dem grünen „Bestellzettelchen“. „Ich habe keine Wahl.“
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