Berliner Groß-Apotheker rutscht in Insolvenz Carolin Ciulli, 04.09.2024 09:52 Uhr
Die wirtschaftliche Situation für Apotheken ist mitunter alarmierend. Auch die großen Betriebe in den Städten spüren die steigenden Kosten. In Berlin ist ein weiterer Inhaber pleite: Michael Steffen von der Berolina Apotheke meldete Insolvenz an. Seine drei Betriebe sollen weiter laufen.
Die Berolina Apotheke in Berlin hat Tradition und in der Hauptstadt eine gewisse Bekanntheit. Der Betrieb zählt zu den großen umsatzstarken Apotheken im Westen. Unter dem Vorbesitzer Helmut Hoffmann entwickelte sich die Apotheke zu ihrer Größe: Der Inhaber war für seine Rabattaktionen bekannt, führte die 20-Prozent-Tage ein und ließ sich auf ungewöhnliche Kooperationen etwa mit der Fast-Food-Kette McDonald’s ein: Schon vor 20 Jahren wurde Kundinnen und Kunden versprochen, dass sie bei Einlösung ihres Rezepts Taler erhielten, die sie beim Fast-Food-Riesen einlösen könnten.
In der Hauptstadt bekannt
Hoffmann wusste schon damals um die Vorteile von medialer Reichweite: Sogar die Boulevard-Zeitung BZ griff die Aktion auf und ließ Teenager zu Wort kommen, die den Rezeptbonus lobten. Branchenkenner zählen ihn zur früheren „Champions League“ der großen Apotheker Berlins wie Dr. Axel Müller-de Ahna, Rolf Spielberger oder Thomas Bong.
2015 gab Hoffmann die Berolina Apotheke an Steffen ab und verabschiedete sich nach 47 Berufsjahren in den Ruhestand. Steffen war vorher in Hamburg und Rostock tätig. Mit der Übernahme kehrte er in die Hauptstadt zurück. „Hier habe ich im Jahr 1983 meine berufliche Karriere als angestellter Apotheker begonnen“, gab er damals zu Protokoll. Die Rabattaktionen behielt er bei. Den „Treue-Taler“ gibt es weiter, genauso wie 15 Prozent Nachlass auf Kosmetikprodukte. Über weitere Angebote informiert die Internetseite der Apotheke und adressiert dies an „unsere Sparfüchse“.
Doch Steffen will mit der Apotheke in Zehlendorf nicht nur für die Kundschaft ansprechen, die auf Prozente aus ist. Unter dem Schlagwort „High.End.Pharmacy“ wolle er die „durchschnittliche Apotheke“ hinter sich lassen, heißt es auf der Website. Zu den Angeboten in diesem Bereich gehören Arzneimitteltherapiesicherheit, verschiedene Schnelltests und Messungen, Hautanalyse sowie der Schwerpunkt im Bereich orthomolekularer Medizin. „Unser Anspruch ist es, Sie als unsere Mitmenschen in den Fokus unserer Kommunikation, Beratung und aller damit einhergehender Bemühungen zu stellen“, beschreibt er die Philosophie des Betriebs.
Außerdem führt er die Berliner Gorki-Apotheke und die Storchen-Apotheke in Hennigsdorf. Unter Großhändlern heißt es, dass die Berolina Apotheke eine der wenigen ist, die ein besonders breites Warenlager besitzt, das auch Spezialwünsche schnell bedienen kann. Doch die Aktionen sowie die große Verfügbarkeit halfen nicht. Steffen ist zahlungsunfähig.
Schock bei Kollegen
Im Juli stellte der 66-Jährige Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das eigene Vermögen. Der Schock in der Kollegschaft ist groß: Wegbegleiter erinnern sich, dass wegen der aggressiven Aktionen in der Vergangenheit sogar große Discounter die Nachbarschaft gescheut hätten. „Die Berolina und die Gorki-Apotheke waren starke Apotheken, jeder hat sie bewundert. Wenn solche Apotheken fallen, hat sich die Welt verändert“, sagt ein Kollege.
Ein Grund für die Insolvenz sollen Branchenkennern zufolge vor allem die hohen Kaufpreise für die Apotheken gewesen sein. Bei der 2022 von Dr. Sabine Knoll-Schütze übernommenen Gorki-Apotheke soll ein siebenstelliger Betrag geflossen sein. „Es ist sicher nicht einfach, für eine so prominente Apotheke wie die Gorki Apotheke in Berlin einen tatsächlich geeigneten Käufer zu vermitteln“, sagte Knoll-Schütze nach dem Verkauf der von ihrem Vater, Dr. Waldemar Knoll, gegründeten Apotheke gegenüber den Apothekenvermittlern.
Diese Insolvenz in Relation mit den derzeitigen Schließungen zu setzen, sei schwierig, sagt ein dem Großhandel nahestehender Beobachter. „Das hat nichts mit einer normalen Apotheke zu tun und ist nicht in einen politischen Kontext zu setzen. Da ist ein Unternehmer krachen gegangen.“
Steffen selbst will sich zur Insolvenz nicht äußern. Zu tief stecke er derzeit in der Arbeit. Auch beim vorläufigen Insolvenzverwalter ist man wortkarg. Im vorläufigen Insolvenzverfahren würden alle drei Apotheken weitergeführt, sagt ein Sprecher. „Allerdings können wir weder zu den Gründen noch zu der Höhe der Schulden eine Aussage tätigen.“
Das Beispiel zeigt, dass auch vermeintlich große Stadt-Apotheken unter der Entwicklung der vergangenen Jahre leiden. Hohe Mieten, hohe Personalkosten und weitere Verbindlichkeiten treffen auch sie – gerade wenn hohe Kreditlasten vorliegen. Unlängst schloss etwa auch die berühmte Apotheke am Brandenburger Tor, weil die Umsätze ausblieben und der Vermieter nicht einlenkte.
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