Seit knapp einem Jahr führt Karolin Romahn in Stendal drei Apotheken. Eine davon liegt im Stadtteil Stadtsee. Dieser sei ein sozialer Brennpunkt und „berühmt berüchtigt“, sagt die 28-Jährige, die die Betriebe von ihrer Mutter übernommen hat. Jetzt musste sie sich mit einem Belästigungsfall und den Folgen für die Reputation ihrer Apotheke auseinandersetzen – und kämpft für das Ansehen des Ortes, auch mit Blick auf die enge Personalsituation.
Die Apowida-Apotheke im Altmark-Forum ist eine Centerapotheke. „Der Ort ist ein Treffpunkt“, sagt Romahn. Im näheren Umfeld stehen Plattenbauten, Arbeitslosigkeit und Ausländerquote seien hoch. Vor etwa zwei Wochen wurde eine Angestellte belästigt, als sie gerade Pause vor der Apotheke machte. Verschiedene Männer hätten sie mehrmals angesprochen und Andeutungen gemacht, sagt die Inhaberin.
Die Situation sei eskaliert, als die eingeschüchterte Frau gefragt worden sei, ob sie „Interesse hätte“. Sie selbst seien „offen“, schildert Romahn den Vorfall und die Aussagen der Männer. Die Angestellte wollte sich abwenden. „Sie hat abgeblockt und wollte dieses Gespräch nicht führen.“ Daraufhin habe einer der Männer aggressiv reagiert und gegen eine Scheibe geschlagen. Das Team alarmierte daraufhin die Polizei.
Im Anschluss berichtete eine Lokalzeitung über den Vorfall und griff damit in die Persönlichkeitsrechte der Angestellten ein. „Jeder, der unsere Apotheke kennt, und das gelesen hat, weiß wer es ist.“ Die Betroffene habe sich nach dem Vorfall wacker geschlagen, doch der Artikel habe nicht geholfen. „Danach ging es ihr gar nicht gut, weil sie identifiziert werden konnte.“ Derzeit sei sie krankgeschrieben. Die Inhaberin ist mit ihr im Austausch.
Romahn ärgert sich auch über die Darstellung des Stadtteils. Natürlich müsse ein solches Thema öffentlich gemacht werden, um auf Missverstände hinzuweisen. Dass in diesem Jahr die Präsenz der Polizei dort bereits erhöht worden sei oder künftig Streetworker eingesetzt werden sollten, sei in diesem Artikel nicht deutlich geworden. „Für die Außenwirkung ist es fatal, es ist nicht gut, so zu tun, als wäre das hier eine No-Go-Area.“
Bereits zwei Kolleg:innen hätten sich zuvor in eine andere Apotheke versetzen lassen. Die beiden anderen Betriebe befinden sich in Osterburg und Seehausen. Derartige Darstellungen würden in Zeiten der Personalnot nicht helfen. Die Apothekerin ist jetzt sowohl mit der Stadt als auch mit der Polizei in Kontakt. Es werde unter anderem über die Installation von Überwachungskameras vor der Gebäude gesprochen. Anders als bei anderen Apotheken in sozialen Brennpunkten lobt sie die Zusammenarbeit vor Ort: Die Politik engagiere sich, Apotheken in jeder Region beziehungsweise in jedem Stadtviertel zu unterstützen.
Die Inhaberin steht hinter ihrer Kundschaft – auch wenn der Stadtteil einen gewissen Ruf hat. „Wir haben hier sehr liebe Kunden“, unterstreicht sie. Bei dem Vorfall handele es sich um Ausnahmen. Sie betont, wie wichtig eine Apotheke auch im Brennpunkt sei. Doch der Personalmangel macht ihr ebenfalls zu schaffen. „Ohne die Unterstützung meiner Mutter könnte ich diese Apotheke nicht halten.“