Vertretung

Bei Anruf Apotheker Silvia Meixner, 06.06.2018 10:23 Uhr

Berlin - 

Die Kollegen haben schlechte Laune? Apotheker Quintin Cürten kann es egal sein – morgen hat er nämlich neue. Als Ein-Mann-Kämpfer seiner Apothekervertretung „Apoprox“ kommt er viel herum, genießt die unternehmerische Freiheit und berufliche Abwechslung. Langweilig ist ihm nie: Einmal wurde er sogar für einen Einbrecher gehalten.

Seine Arbeitsphilosophie: „Die Menschen, die in die Apotheke kommen, müssen einmal gelacht haben, bevor sie wieder rausgehen. Denn es geht ihnen nicht gut, sie sind krank.“ Ein Lachen ist da auch ein bisschen Medizin. Rezeptfrei.

Er hatte eines morgens allerdings nur wenig zu lachen. Ein Vertretungsapotheker erlebt im Laufe der Zeit viele ungewöhnliche Sachen. Cürten übernimmt auch Notdienste und wurde eines Morgens von der Polizei geweckt. „Unrasiert und unfrisiert hielten sie mich für einen Einbrecher.“ In der Apotheke hatte nachts tatsächlich ein Einbruch stattgefunden, der Apotheker hatte in einem hinteren Zimmer geschlafen und nichts davon mitbekommen. So eine Geschichte macht Beamte natürlich erst mal misstrauisch. „Ich musste die Polizisten von meiner Unschuld überzeugen.“ Weil Cürten, normalerweise ein sehr freundlicher Mensch, schon am frühen Morgen sehr empört war, glaubten ihm die Polizisten schließlich.

Die Pharmazie liegt dem 44-Jährigen im Blut, eine Tante hatte eine Apotheke: „Als Schüler habe ich bei ihr ein Praktikum gemacht und fand es interessant. Da mein Abi mittelprächtig war und ich nicht sofort einen Studienplatz bekommen habe, habe ich zuerst eine PTA-Ausbildung gemacht.“ Danach blieb die Apotheken-Tante hartnäckig: „Wie sieht‘s denn aus, willst du nicht an die Uni?“, drängte sie den Neffen zu noch mehr Wissen.

„Ich habe dann mit 27 ein Pharmaziestudium in Bonn angefangen, war mit 32 fertig“, erzählt Cürten. Eine Übernahme ihrer Apotheke kam für ihn aber nicht infrage: „Sie kannte die besseren Zeiten, als ich mit dem Studium fertig war, war mir das Risiko zu groß.“ Die Politik hatte die ersten Daumenschrauben angelegt, eine Apotheke war längst keine sichere Sache mehr.

Er wollte erst mal Skiurlaub machen und danach auf Jobsuche gehen, so lautete sein Plan. Da kam das Glück dazwischen: „Als ich einem Apotheker eigentlich nur ein fürs Studium geliehenes Buch zurückbringen wollte, bot er mir einen Job an.“ Heute Examen, morgen schon Offizin. Cürten ging dann doch noch wie geplant Ski fahren und arbeitete anschließend sechs Jahre in der Hausdorff-Apotheke in Bonn. „Es war eine tolle Apotheke und die Arbeit dort hat mir sehr viel Spaß gemacht.“

Doch tagein, tagaus dieselben Kollegen? Und in der Offizin auch häufig dieselben Gesichter? „Nach sechs Jahren hatte ich das Gefühl, auf der Stelle zu treten.“ Routine hatte sich eingeschlichen. Erschwerend kam hinzu, dass die Apotheke sehr gut lief. „Nach 120 Kunden am Tag ist man abends nur noch platt und kann nicht mehr sprechen. Ich dachte mir, dass ich mal etwas anderes ausprobiere.“

Und so erzählte er seinen Apotheker-Freunden von seinen Plänen, als Vertretungsapotheker zu arbeiten: „Ich habe einen großen Freundeskreis und ein gutes Netzwerk.“ Das funktionierte sofort, Kollegen empfahlen den engagierten Apotheker gern weiter: „Plötzlich häuften sich die Anfragen.“ Er kündigte und arbeitet jetzt seit fünf Jahren als freier Unternehmer.

„Anfangs gab es Organisations-Schwierigkeiten, weil tagsüber ständig das Telefon klingelte.“ Ein Kalendertool auf seiner Website löste das Problem umgehend. Der Kunde sieht sofort, ob die Zeit, in der er Cürten gerne engagieren möchte, noch frei ist.

„Da ich einen kleinen Sohn habe, ist die Familie für mich wichtig. Ich übernehme nur Vertretungen in Bonn und im Umkreis von bis zu 100 Kilometern.“ Damit er abends zu Hause sein kann.

Mittlerweile hat der Apoprox-Mann rund 15 Stammkunden: „Die buchen mich mehrfach, damit komme ich locker übers Jahr. Akquise muss ich keine mehr machen.“ Oft bekommt er auch Angebote, doch wieder festangestellt zu arbeiten. Das weist Cürten dann freundlich zurück: „Ich bin im Moment sehr glücklich, habe ein selbstbestimmtes Leben und mein Auskommen.“

Ihm gefällt es, mit Teams in unterschiedlichen Apotheken zusammenzuarbeiten. Gleichzeitig ist ihm bewusst, dass diese Form des Berufes nicht für jedermann geeignet ist: „Man muss sich spontan auf neue Situationen einstellen können und Lust darauf haben, jede Woche woanders zu sein.“ Und das mit den nervigen Kollegen ist nicht wirklich schlimm: „In 95 Prozent der Apotheken arbeiten echt nette Leute. Da gibt es nur sehr wenige, bei denen ich sagen würde, dass ich da nicht mehr hingehen mag. Und auch die Patienten sind meistens nett.“

In Bonner Apotheken kann man übrigens am besten über Politik fachsimpeln: „Hier wohnen noch viele, die früher Beamte waren.“ Und denen geht der Gesprächsstoff niemals aus.