ApoRetro – Der satirische Wochenrückblick

Bei Anruf Apotheke

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Berlin -

Oma Paschulke hat Durchfall. So möchte sie nicht das Haus verlassen. Nur: Leider fehlen die entsprechenden Mittelchen in der Hausapotheke. Also was tun? Schnell bei der Versandapotheke bestellen, wie es doch so schön neulich im Fernsehen beworben wurde? Aber das hilft ihr heute ja wenig. Moment: Hatte sie nicht letztens enen Info-Flyer ihrer Haus-und-Hof-Apotheke eingesteckt? „Wir kommen zu Ihnen statt Sie zu uns! Der nächste Notdienst: an Ihrer Haustür!“ Also ruft sie die 0800 123 456. Keine 20 Minuten später steht ihr Notdienst-Apotheker vor der Tür. Was für ein Service!

„Frau Paschulke, na so was – Ihnen geht’s heute nicht so gut?“ Wie auch schon knapp am Telefon schildert Frau Paschulke ihr Leiden. Natürlich hat der Apotheker etwas Passendes dabei: In seiner umfunktionierten Arzttasche findet er das nötige Mittel, versorgt Oma Paschulke. Die ist glücklich über die schnelle Hilfe, gibt dem Apotheker sogar noch ein Paket Kaffee mit – „statt Trinkgeld“ und „damit Sie den Notdienst überstehen“. Früher wäre sie jetzt gut und gerne eine halbe Stunde mit dem Auto unterwegs gewesen.

Der Apotheker hingegen fährt wieder nach Hause und wartet auf den nächsten Notfall, zu dem er gerufen wird. Doch vorher muss er noch den eingebauten Medikamententresor im Caddy kontrollieren. Wie nach jedem Einsatz. Hier befinden sich die Rx-Mittel, die gut verschlossen werden müssen. Immer mit dabei hat der Apotheker im Einsatz die Standardpräparate: Blutdrucksenker, Antibiotika, und auch ein Kühlfach für Insuline & Co. gibt es. Da man ja nie weiß, wann der Pharmazierat mal plötzlich am Einsatzfahrzeug steht, um zu schauen, ob alle Vorschriften eingehalten werden.

Da klingelt das Notdienst-Handy wieder. Dringender Einsatz: Nasenspray und Antiallergika werden benötigt! Wie gerne der Apotheker sowas an einen der Lieferdienste ausgelagert hätte, die vor Kurzem noch in Masse auf den Straßen unterwegs waren. Doch auch hier hat sich das Geschäft konsolidiert; zu verdienen war für die Lieferdienste auch nichts, wenn sie die Apotheken unterstützen. Dafür ist das für diesen Dienst bereitgestellte Geld zu wenig. Auch den Krankenkassen gefällt die Idee; so schön nah am Patienten, ohne höhere Ausgaben. Abgerechnet wird anhand einer Kilometerpauschale. Damit sind die Landapotheken auch gleich ohne geplante Umverteilung bevorteilt.

Dafür kann der Apotheker in ruhigen Diensten zu Hause bei der Familie sein, Debatten mit seinem Chef wie nach seinem letzten Besuch von Freunden im Notdienst spart er sich damit auch. Sind schließlich schon Leute deshalb gekündigt worden... und auch Diebe überraschen einen endlich nicht mehr im Schlaf. Dafür werden neuerdings gerne mal die Arzneimitteltaschen aus den Autos nachlässiger Kolleg:innen geklaut, die nur mal eben das benötigte Mittel an die Haustür bringen wollten.

Lieber in Zentren „nah am Patienten“

Allzu weit weg ist diese Idee gar nicht mehr von der Realität. Schon so manche Apothekerin und so mancher Apotheker hätte sie an langweiligen Abenden auf der ungemütlichen Notdienst-Couch haben können. Karl Lauterbach (SPD) hatte eigentlich bereits erklärt, den Notdienst besser vergüten zu wollen, damit auch die Landapotheken ihr Auskommen haben. Stattdessen schlägt das Bundesgesundheitsministerium (BMG) nun Notfallzentren vor. Um den Patientinnen und Patienten den oftmals weiten Weg zur Notdienstapotheke zu ersparen, soll die Abgabe hier erfolgen – entweder durch anwesende Apothekerinnen und Apotheker, oder durch die Ärztinnen und Ärzte selbst.

Müssen Betroffene kurzfristig mit Arzneimitteln versorgt werden, soll dies direkt in den Notfallzentren möglich sein, und zwar während der Öffnungszeiten der Notdienstpraxis über „am oder im INZ beziehungsweise KINZ angesiedelte Apothekenstandorte“ (Integrierte Notfallzentren/Integrierte Kindernotfallzentren). Das könnte dann vielleicht auch das ein oder andere Nasenspray weniger im Notdienst bedeuten.

Schon seit vielen Jahren wird diskutiert, ärztlichen Bereitschaftsdienst und Apothekennotdienst besser zu verzahnen. Im BMG scheint man die Notfallreform als einen ersten Schritt zu sehen, die klassische Notdienststruktur der Apotheken auf den Kopf stellen: „Die Apotheke kommt dorthin, wo der Notdienst stattfindet“, so auch Thomas Müller, Abteilungsleiter Arzneimittel, Medizinprodukte und Biotechnologie, kürzlich bei einer Veranstaltung im hessischen Gudensberg.

Versender „nah am Patienten“?

Und sind wir mal ehrlich: Das durch Collien Ulmen-Fernandes vermittelte Idealbild des Versenders, der in der Not zur Stelle ist, hinkt gewaltig. Wer Durchfall hat, möchte nicht auf das Päckchen warten, das am nächsten Tag kommt. Also: im besten Fall am nächsten Tag. Aber die massive – wenn auch nicht immer richtige – Werbung sei Shop Apotheke nachzusehen. Die Zahlen sehen nicht so rosig aus, Ärger wegen der neuesten Kundengewinnungsmaßnahme droht auch: Sowohl der Marketing Verein Deutscher Apotheker (MVDA) als auch die Freie Apothekerschaft planen Klagen. Also lieber noch schnell Rx-Boni gewähren, bevor die Unterlassungsklage kommt. Am Ende gibt es noch gleich lange Spieße ...

Na ja. Nach der Apothekenreform ist schließlich vor der Notdienstreform, oder? Also bleibt weiter abzuwarten, was denn nun am Ende in der Apothekenreform (der Mai nähert sich dem Ende!) steht und was dann vielleicht noch die Notdienstreform kommt. Vorher bleibt alles wage, wie die Wettervorhersage für das Wochenende in zwei Wochen. Wir wünschen Ihnen jetzt erst mal ein sonniges (beim Notdienst IN der Apotheke) Wochenende!

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