Der Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL) kritisiert die Ungleichbehandlung von Apotheken und Arztpraxen bei den Quarantäne-Regeln im Falle einer Sars-CoV-2-Infektion. Während Praxen geöffnet bleiben dürften, müssten Apotheken bereits bei einem einzigen Fall im Team schließen. Der AVWL fordert deshalb, auch Apothekenmitarbeiter offiziell in die Gruppe „medizinisches Personal“ einzuordnen und nach den Empfehlungen des RKI zu verfahren. Außerdem müssten die Behörden auch Apotheken vor Ort ausreichend mit Schutzausrüstung versorgen.
„Es fehlt eine Klarstellung“, kritisiert Verbandschef Dr. Klaus Michels. Er fordert, auch Apothekenmitarbeiter offiziell in die Gruppe „medizinisches Personal“ einzuordnen, um die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung auch dann noch sichern zu können, wenn die Zahl der Infektionsfälle zunimmt. Die jetzige Ungewissheit, was bei einer Infektion passiere, sei für die Apothekenteams und die Inhaber eine Belastung, so Michels.
Der AVWL unterstreicht seine Forderung mit einem Beispiel aus der Praxis: Christian Schmidt, Inhaber der Hof-Apotheke in Detmold, habe seinen Betrieb wegen einer infizierten Mitarbeiterin zusperren müssen, obwohl zu keiner Zeit eine Gefährdung für Patienten bestanden habe. Die Mitarbeiterin war scheinbar erkältet aus dem Urlaub in Österreich zurückgekehrt und hatte zunächst in der Apotheke mitgearbeitet, war dann aber krank zu Hause geblieben. Kurz darauf wurde sie positiv auf Sars-CoV-2 getestet. Schmidt meldete das beim Kreisgesundheitsamt und erhielt widersprüchliche Antworten.
Die Apotheke könne geöffnet bleiben, wenn die Mitarbeiter Handschuhe und Schutzmasken trügen, habe man im am Morgen noch gesagt, nachdem Schmidt die Zustände in seiner Apotheke geschildert hatte: „Ein Risiko für die Patienten hatte nicht bestanden, denn Christian Schmidt hatte längst Glasscheiben vor den Verkaufstischen zum Schutz von Patienten und Mitarbeitern installieren lassen. Zudem hatte er immer sorgsam darauf geachtet, dass nur eine begrenzte Zahl von Kunden zugleich in der Apotheke war, der Mindestabstand und alle Hygienevorschriften eingehalten wurden“, beschreibt es der AVWL.
Doch noch am selben Tag habe sich das Gesundheitsamt erneut gemeldet: Die Apotheke müsse doch umgehend geschlossen werden. „Das war ein Schock“, so Schmidt. Er habe die Offizin nur noch einmal mit Schutzausrüstung betreten dürfen, um vorbestellte Arzneimittel herauszuholen, die einige schwerkranke Patienten dringend benötigten. Keine 24 Stunden später habe sich das Gesundheitsamt dann erneut an ihn gewendet und sei zurückgerudert: Er dürfe wieder öffnen. All die Aufregung also um nichts. Schmidt, selbst AVWL-Bezirksgruppenleiter, fordert deshalb nun Rechtssicherheit. Es brauche für Apotheken eine ähnliche Regelung, wie sie für Ärzte längst gilt.
Nach den Quarantäne-Vorgaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) dürfen Praxen nämlich weiterarbeiten, auch wenn sich ein Kollege in ihrem Team angesteckt hat. Voraussetzung ist, dass ein „begrenztes Expositionsrisiko“ bestanden hat, die Ärzte dem infizierten Kollegen oder Patienten also nicht allzu nah gekommen sind, sie frei von Symptomen sind, einen Mund-Nasen-Schutz tragen und ein „relevanter Personalmangel“ besteht. Mit dieser Regelung soll verhindert werden, dass Patienten nicht mehr versorgt werden können, weil zu viele Ärzte in Quarantäne bleiben müssen.
Diese Kriterien sieht Michels als erfüllt. So sei es sehr schwierig und dauerhaft kaum durchzuhalten, einen Schichtbetrieb mit getrennten Teams aufrechtzuerhalten. Vielerorts seien die Apothekenteams nicht zuletzt durch den Fachkräftemangel knapp besetzt. Gleichzeitig sei der Arbeitsaufwand hoch, weil die Apothekenmitarbeiter zeitintensiv die Lieferengpässe managen müssten. Die Zahl der Kunden wiederum sei mittlerweile deutlich zurückgegangen, nachdem die Innenstädte durch die Corona-Krise verwaist und die Patientenzahlen in den Facharztpraxen deutlich zurückgegangen seien.
Dennoch sei nicht gewiss, ob die Regelungen des RKI auch für die Apothekenteams gelten, so der AVWL. Dabei könne es gerade im ländlichen Raum schwierig werden, die Patienten mit Arzneimitteln zu versorgen, wenn die einzige Apotheke im Ort geschlossen werden muss und die nächste kilometerweit entfernt ist. „Wir üben in den Apotheken nicht irgendeine Tätigkeit aus, sondern leisten für die Arzneimittelversorgung und somit die Gesundheitsvor- und -fürsorge einen essentiellen Beitrag“, betont Schmidt. „Ohne unsere Arbeit würde die Gesundheitsversorgung zusammenbrechen.“
Auch im Nachbarbezirk Nordrhein kämpfen Kammer und Verband für eine pragmatische Lösung. Zum Schutz vor einer Totalquarantäne haben sie an die Gesundheitsämter appelliert und Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann um Unterstützung gebeten. Auch sie forderten die Amtsleiter auf, dass bei einem nachgewiesenen Corona-Fall eines Apothekenmitarbeiters nach den RKI-Vorgaben verfahren werden solle. Unter Beachtung des Selbstmonitorings und der Schutzmaßnahmen könnten die Apothekenmitarbeiter die Versorgung weiter sicherstellen.
In Sachsen muss laut Apothekerkammer (SLAK) bei einer Corona-Infektion in einer Apotheke nicht mehr zwingend das gesamte Personal in Quarantäne genommen und die Apotheke geschlossen werden. „Wir empfehlen in diesem Fall, auf der Grundlage der modifizierten RKI-Empfehlung im direkten Kontakt mit dem zuständigen Gesundheitsamt eine für beide Seiten akzeptable Lösung zu erreichen“, heißt es in einem gemeinsamen Rundschreiben von Kammer und Verband. „Bei Schwierigkeiten zur Umsetzung können Sie sich gern an die SLAK wenden.“
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