Bayern

Apothekerin zieht die Reißleine Eugenie Ankowitsch, 03.05.2017 09:54 Uhr

Rote Zahlen: Apothekerin Bettina Colombo-Egerer schließt ihre St-Georg-Apotheke im bayerischen Hebertshausen aus wirtschaftlichen Gründen. Foto: Sankt-Georg-Apotheke
Berlin - 

Mit der Sankt-Georg-Apotheke schließt Ende Mai die einzige Apotheke im bayerischen Hebertshausen. Die Schließung sei eine rein wirtschaftliche Entscheidung, betont Inhaberin Bettina Colombo-Egerer, die mit ihrem Team seit 29 Jahren die 5700 Einwohner der Gemeinde mit Arzneimitteln versorgt hat. Denn zuletzt hat die Apotheke Verluste eingefahren.

„Um allen Gerüchten vorzubeugen – ja, wir schließen die Apotheke in Hebertshausen nach 29 Jahren zum 31. Mai 2017”, ist in einem Aushang zu lesen, der seit einigen Tagen an der Tür der Sankt-Georg-Apotheke hängt. „Damit gehören wir zu der großen Zahl von Apotheken in Deutschland, denen es die gesundheitspolitischen Sparmaßnahmen der letzten Jahre sowie die steigende Zahl der Kunden, die im Internet ihre Medikamente bestellen, nicht mehr möglich macht, am Standort zu überleben.”

„Es geht einfach nicht mehr”, sagt Colombo-Egerer. Die Gründe seien vielfältig, aber nicht außergewöhnlich. Viele kleine Landapotheken arbeiteten inzwischen am Rande der Wirtschaftlichkeit.

Abgesehen von gesundheitspolitischen Sparmaßnahmen der vergangenen Jahre sei vor allem die notwendige Infrastruktur in den Orten wie Hebertshausen nach und nach weggebrochen. Wichtig für das wirtschaftliche Überleben einer Apotheke sei unter anderem die Zahl der Mediziner, die im direkten Umfeld tätig seien. Zwar hat Hebertshausen zwei praktizierende Ärzte. Einer davon ist aber der Ehemann der Apothekerin, der aus Altersgründen Ende des Jahres aufhören will. Ein Nachfolger sei trotz intensiver Bemühungen nicht in Sicht. Problematisch sei auch die Nähe zur Kreisstadt Dachau mit zwölf Apotheken, einem MVZ und allen Fachärzten der Region.

In den vergangenen Jahren habe sich die Situation der Apotheke immer mehr verschärft. So sei ein Altenheim weggezogen, und zwar so weit, dass eine Arzneimittelversorgung durch die Sankt-Georg-Apotheke nicht mehr sinnvoll gewesen sei. Auch sonst sei die Kundenzahl zurückgegangen, und das bei steigenden Kosten. „Viele fahren zur Arbeit, zum Einkaufen oder zu den Ärzten in die Stadt und gehen auch dort in die Apotheken”, erklärt die Pharmazeutin die aktuellen Rahmenbedingungen.

In Hebertshausen gebe es seit vergangenem Jahr, nachdem ein Lebensmittelgeschäft geschlossen wurde, lediglich einen Bäcker und einen Metzger. Dazu komme, dass die Ortsteile weit verstreut lägen. „Von den paar Kunden, die noch in die Apotheke kommen, kann man nicht überleben”, stellt Colombo-Egerer klar. Die Entscheidung, den Schlussstrich zu ziehen, ist der Pharmazeutin nicht leicht gefallen. Schließlich habe sie die Apotheke als junge Apothekerin neu gegründet. „Sie ist in gewisser Weise wie ein Kind”, bedauert Colombo-Egerer. „Es tut schon sehr weh.”

Die Schließung der Sankt-Georg-Apotheke sei ein herber Verlust für Hebertshausen, teilte der Bürgermeister Richard Reischl mit. In einem Facebook-Eintrag schreibt er, dass die Gemeinde die Entscheidung zwar akzeptieren müsse, aber versuchen werde, einen Ersatz zu finden. Der Gemeinderat soll sich demnächst mit dem Thema beschäftigen. „Unter den gegebenen Rahmenbedingungen kann ich, so leid es mir tut, keinem Kollegen empfehlen, in Hebertshausen eine Apotheke zu betreiben”, sagt dagegen Colombo-Egerer.

Genau da möchte der Rathauschef ansetzen und Ärzte für ein Ärztehaus in seinem Ort gewinnen. Auch er weiß, dass eine Apotheke nur läuft, wenn im Umfeld mehrere Ärzte praktizieren. Als Ideal soll dem Bürgermeister die Kooperation von Allgemeinmediziner, Kinderarzt und Physiotherapeut vorschweben. Damit würde die medizinische Versorgung der Hebertshausener verbessert. „Und das wäre auch eine gute Voraussetzung für eine Apotheke", meint Reischl.

So sieht es auch Colombo-Egerer: „Ich wäre die Erste, die es dann wieder probieren würde.“ Allerdings glaubt sie nicht, dass dieser Coup gelingen kann. „Unser Bürgermeister ist zwar sehr engagiert, aber am Beispiel der Nachfolgersuche für die Praxis meines Mannes kann man sehen, dass es sehr sehr schwierig wird”, sagte sie. In absehbarer Zeit sei dieses Projekt sowieso nicht zu realisieren.

Wirtschaftlich vernünftig führen ließen sich Apotheken aus ihrer Sicht inzwischen nur in der Nähe eines Ärztehauses oder in stark frequentierten Geschäftslagen. So wie die beiden anderen Sankt-Georg-Filialen, die Colombo-Egerer in Dachau im Kaufland-Supermarkt und in Eching im Rewe-Markt betreibt. Die beiden Apotheken hat die Pharmazeutin bereits im Jahr 2008 gegründet. „Zu diesem Schritt habe ich mich entschlossen, weil es sich schon damals abzeichnete, dass es schwierig werden könnte, die Apotheke in Hebertshausen zu halten”, erklärt sie.

Schon jetzt nutzten auch Bürger aus Hebertshausen gerne die längeren Öffnungszeiten, die ihnen die Filiale im Dachauer Einkaufszentrum biete. Schließlich liege sie nur vier Kilometer von der Hebertshauser Apotheke entfernt. Aber auch wer nicht mobil sei, werde weiterhin per Botendienst von der Sankt-Georg-Apotheke versorgt, versichert die Apothekerin.