Keine Sozialabgaben auf „Internetzuschuss“

Bastelnde Richter retten Apotheker vor der Rentenversicherung

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Berlin -

In dem Streit ging es nicht um große Summen: 50 Euro Zuschuss für den Internetanschluss hatte ein Apotheker zwei seiner Angestellten gewährt. Doch die Deutsche Rentenversicherung (DRV) witterte eine versuchte Umgehung. Im daraus resultierenden Gerichtsverfahren musste sich die DRV vom Sozialgericht Regensburg (SG) einiges anhören.

Am Ende haben die Richter eine, wie sie es im Urteil nennen, „kleine Bastelei“ im Gerichtssaal veranstaltet, um dem Vertreter der Rentenversicherung endlich klarzumachen, worum es beim Gleichheitsprinzip geht. Die mit transparentem Klebeband zusammengefügte Papierbögen bestanden aus weißen (verwendungsgebundener Lohn) und gelben (ohnehin geschuldeter Lohn) Streifen. Als der DRV-Vertreter nicht in der Lage war, welcher Bogen die nachträgliche begünstigungsschädliche Lohnumwandlung symbolisiert und welcher die begünstigte Neugestaltung, hatten die Richter ihren Punkt gemacht.

Doch von Anfang an: Der Apotheker hatte im Sommer 2011 mit zwei seiner Angestellten vertraglich vereinbart, dass sie auf einen Teil ihres monatlichen Bruttoentgelts verzichten. Zeitgleich wurde eine „Vereinbarung über Zusatzbausteine“ geschlossen, womit die Angestellten für die Internetnutzung einen monatlichen Zuschuss in Höhe von 50 Euro erhielten, die pauschale Lohnsteuer übernahm demnach der Apotheker.

Die DRV sah diese Umwandlung im Rahmen einer Betriebsprüfung für die Jahre 2012 bis 2015 als „sozialrechtlich unbeachtlich“ an und berechnete ihre Beiträge weiter auf Basis der ursprünglich in den Arbeitsverträgen vereinbarten Gehälter. Entsprechend forderte sie eine Nachzahlung an Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von etwas mehr als 2000 Euro. Aus ihrer Sicht wurden die Zuwendungen nicht zusätzlich zum Arbeitsentgelt gewährt, sondern anstelle des geschuldeten Lohns, der im Ergebnis ja unverändert geblieben sei.

Aus Sicht des Apothekers unterliegt der Lohnverzicht der Vertragsfreiheit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Und da der Verzicht bedingungslos erfolgt sei, handele es sich gerade nicht um eine Entgeltumwandlung. Die dann gezahlte Internetpauschale sei zusätzlich zum Arbeitslohn gewährt worden. Die Vertragsänderungen zielten darauf ab, die bisherige Vergütung dauerhaft zu reduzieren, um den Mitarbeitern höhere Nettobezüge zu gewährleisten. Die Internetpauschale werden pauschal versteuert, sie bleibe aber sozialversicherungsfrei. Sein Widerspruch blieb unerhört, man traf sich vor Gericht.

Nachdem das Verfahren zwischenzeitlich ausgesetzt war, erfolgte die Wiederaufnahme erst Anfang des Jahres im Lichte einer neuen Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH). Demnach können Arbeitgeber und Arbeitnehmer den Lohn arbeitsrechtlich wirksam absenken und der Arbeitgeber dies „durch verwendungsgebundene Zusatzleistungen steuerbegünstigt ausgleichen“.

Im Mai entschied das Sozialgericht folgerichtig, dass die Forderung der DRV unbegründet war, die Urteilsgründe wurden jetzt veröffentlicht. Der Internetzuschuss werde zusätzlich zum Gehalt gewährt und sei daher dem Arbeitsentgelt nicht zuzurechnen. Diese steuerrechtliche „Zusätzlichkeit“ werde auch nicht aufgehoben, nur weil parallel eine Verringerung des Barlohnanspruchs vereinbart wurde, so die Richter mit Verweis auf die BFH-Rechtsprechung. Ein „Lohnformenwechsel“ sei deshalb nicht schädlich für Steuertatbestände, heißt es weiter. Zu beachten sei lediglich, dass der so begünstigte Lohnanteil zweckgebunden sein muss – anders als der normale Lohn. Beim Internetzuschuss sei die Verwendung zwischen dem Apotheker und seinen Angestellten vereinbart worden.

Regelrecht verstört zeigt sich das Sozialgericht vom Auftreten der DRV nach Wiederaufnahme des Verfahrens. So hatte die Rentenversicherung Mitte Januar in einem Schriftsatz erklärt, man werden dem BFH nicht folgen, da es sich um Einzelfallentscheidungen handele. Zudem habe das Bundesfinanzministerium im Februar 2020 einen Nichtanwendungserlass veröffentlicht. Die DRV werde also weiter davon ausgehen, dass die Internetpauschale anstelle des bisherigen geschuldeten Lohnes gezahlt worden sei.

Die Richter konstatieren „ein erstaunliches Selbstverständnis der Behördenseite“. Mit dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes und dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung „dürfte es jedenfalls schwerlich vereinbar sein, höchstgerichtliche Entscheidungen gleichsam zu ignorieren“. Und weiter: „Es steht der Exekutive nicht zu, verbindlich darüber zu entscheiden, ob die Gesetze eingehalten wurden, also ‚Recht getan‘ wurde.“ Die Rentenversicherung nehme fälschlicherweise an, dass quasi auf ewig geschuldet sei, was irgendwann einmal im Arbeitsvertrag geschuldet war. „Für diese Fiktion gibt es keinen Anhaltspunkt im Gesetz“, so die deutliche Abfuhr der Sozialrichter.

Was als Arbeitslohn in welcher Lohnform geleistet wird, sei Sache der Vertragsparteien und werde weder vom Steuergesetzgeber noch von der Steuerverwaltung oder gar der Rentenversicherung entschieden. Müssten Arbeitsvertragsparteien am ursprünglich Vereinbarten festhalten, wäre das laut Gericht eine unzulässige Begrenzung der „beruflichen Privatautonomie“. Das wäre aus Sicht der Richter auch ungerecht, weil sozialversicherungsrechtliche Vergünstigungen dann allein von dem Zufall abhingen. „Das ‚böse Wort‘ für einen solchen Zufall ist Willkür“, heißt es im Urteil.

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