Erhebliche Compliance-Lücken: Jeder vierte Deutsche hat mindestens einmal ein Arzneimittel nicht so genommen, wie vom Arzt vorgegeben. Doch ein Drittel aller Bundesbürger hält eine Beratung zur Einnahme nicht erforderlich. Das zeigt eine repräsentative Meinungsumfrage vom Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) herausgegebenen Deutschen Gesundheitsmonitors. Gerade Patienten ab 60 Jahren seien besonders beratungsresistent.
Den Zahlen des BAH zufolge haben 18 Prozent aller Patienten in den letzten zwölf Monaten ein Medikament vorzeitig abgesetzt, da es ihnen schnell wieder besser ging. 15 Prozent haben die Einnahme – zum Beispiel im Urlaub – einfach vergessen.
„Die Umfrage zeigt, wie wichtig es ist, Informationen zu Arzneimitteln so aufzubereiten, dass der Patient versteht, wie viel für ihn von der richtigen Einnahme abhängt“, sagt Dr. Hermann Kortland, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des BAH. Das gelte vor allem für die Informationen in der Packungsbeilage: „Denn keine andere Informationsquelle – mal abgesehen vom Arzt und Apotheker – wird von so Vielen konsultiert wie der Beipackzettel, nämlich von 62 Prozent“, so Kortland.
Dabei seien die meisten Informationen im Beipackzettel gesetzlich geregelt. „Die Aufklärung der Patienten über Risiken ist unverzichtbar“, so Kortland. „Genauso wichtig ist es aber, künftig besser über den Nutzen eines Arzneimittels und über die richtige Anwendung zu informieren. Das ist elementare Voraussetzung für den Behandlungserfolg.“ Das Marktforschungsunternehmen Nielsen hatte die Umfrage im Auftrag des BAH im zweiten Quartal durchgeführt.
Compliance ist nicht nur für den Therapieerfolg wichtig, sondern hat auch wirtschaftliche Konsequenzen. Mangelnde Therapietreue belastet das Gesundheitssystem mit fast sechs Milliarden Euro pro Jahr. Nach Schätzungen landen jährlich Arzneimittel im Wert von vier Milliarden Euro jährlich im Müll. Die im Frühjahr veröffentlichte verhaltensökonomische Studie „Verbesserung der Therapietreue in Apotheken“ konnte zeigen, dass gezielte Kommunikation des Apothekers die Compliance des Patienten steigern kann.
„Verhaltensökonomische Maßnahmen haben einen positiven Effekt auf die Compliance bei der Selbstmedikation“, fasste Professor Dr. David Matusiewicz das Studienergebnis zusammen. Der Direktor des Forschungsinstituts für Gesundheit und Soziales (IFGS) sah daher eine Chance der Therapieoptimierung durch den Apotheker. Möglicherweise könne man das auch auf rezeptpflichtige Arzneimittel übertragen.
Die Interventionsstudie hatte die Therapietreue von 139 Patienten bei OTC-Arzneimitteln untersucht. Bundesweit hatten sieben Apotheken mit jeweils durchschnittlich 20 Patienten teilgenommen, die randomisiert wurden. Das Durchschnittsalter der Kunden lag bei 52,2 Jahren. Studienrelevant waren ausschließlich Medikamente, die täglich und mindestens eine Woche lang eingenommen werden müssen. Die Probandenzahl sei zwar nicht repräsentativ gewesen, aber die Ergebnisse statistisch signifikant, so Matusiewicz.
Mehr als 84 Prozent benutzen demnach keine Hilfsmittel, die an die Medikamenteneinnahme erinnern. Nur etwa 3 Prozent bekommen Hilfe von Dritten. Als Hauptgrund für die Regelmäßigkeit der Einnahme wurde mit 58,3 Prozent die Beratung durch den Apotheker an erster Stelle genannt. Die Motivation durch den Apotheker war für 18 Prozent der Grund, die Medikamente regelmäßig einzunehmen. Das eigene Aufschreiben der Einnahme half 15,8 Prozent. An letzter Stelle kam das Merkblatt mit 6,5 Prozent.
„Apotheker sind Vertraute des Patienten“, sagte damals Fritz Becker, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbandes (DAV) und Schirmherr der Studie. Ihm zufolge können Apotheker die Kosten im Gesundheitssystem signifikant durch die Verbesserung der Compliance senken
Dr. Traugott Ullrich, Geschäftsführer des Studiensponsors Dr. Willmar Schwabe, sah im Apotheker einen „kompetenten Lotsen“, der den Patienten bei der Bewertung seiner „ungefilterten“ Informationen aus dem Internet unterstützt. „Die Apotheke vor Ort sollte sich auf die Kundenbindung konzentrieren“, argumentierte Ullrich. „Das kann eine Internetapotheke nicht.“
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