Der seit Jahren eingesetzte Wirkstoff Azelastin könnte einen neuen Einsatz finden. Eigentlich wird das H1-Antihistaminikum der zweiten Generation bei Heuschnupfen zur Linderung der Symptome eingesetzt. Nasal angewendet kann der Wirkstoff die Last an Coronaviren im Nasen- und Rachenbereich senken. Ursapharm hat die Wirksamkeit seines Pollival Nasensprays mit 1 mg Azelastin je ml in einer Studie untersucht.
Auf der Suche nach einem weiteren Medikament gegen Covid-19 geriet auch das bei Heuschnupfen eingesetzte Antihistaminikum Azelastin in den Fokus. Eigentlich verhindert der Arzneistoff die lokalen und systemischen Wirkungen von Histamin. Schwellung, Rötung und Juckreiz nehmen ab. Doch auch bei Corona zeigt Azelastin eine Wirkung. Ursapharm konnte in einer Studie belegen, dass die Viruslast in der Nase gesenkt werden konnte.
Azelastin verhindert, dass Sars-CoV-2 in die Wirtszelle eindringen und sich dort replizieren kann. Dies geschieht auf unterschiedlichen Wegen: Zum einen wirkt Azelastin gegen die Hauptprotease von Sars-CoV-2, die wichtig für die Virusvermehrung ist. Zum anderen wird Azelastin als Off-Target für den ACE2- und den Sigma-1-Rezeptor verwendet; beide Rezeptoren sind Strukturen der Wirtszelle, die Sars-CoV-2 für den Viruseintritt und die Vermehrung nutzt. Der Wirkmechanismus zeigt, dass Azelastin unabhängig davon, welche Virusvariante vorliegt, wirksam bleibt. Wichtig sei ein besonders frühes Verwenden des Nasensprays.
Die Studie umfasste 90 Patient:innen. „Die frühzeitige Einbindung der Probanden erforderte viel Aufwand“, erläutert Dr. Peter Meiser, Leiter der medizinisch-wissenschaftlichen Abteilung Allgemeinmedizin bei Ursapharm. Die Rekrutierung erfolgte über teilnehmende Testcenter. Vor Ort wurde über die Studie informiert; wer Interesse hatte, konnte teilnehmen. „Eine noch frühere Einbindung der Probanden wäre sicherlich noch besser gewesen, doch zeigen sich die Symptome erst nach einer gewissen Zeit, sodass die Personen erst einige Tage nach der Infektion zum Test gehen.“
Die Proband:innen wurden über 11 Tage engmaschig betreut. „Ein Flying-Doctor-Team übernahm die Betreuung der Patient:innen. Diese befanden sich natürlich alle zu Hause in Isolation. Die Ärzt:innen rückten aus, um Abstriche zu nehmen und Gespräche zu führen“, berichtet Meiser. Die Nachkontrolle erfolgte bis Tag 60. „Wir haben nicht nur unsere Standarddosierung von 0,1 Prozent Azelastin überprüft, sondern auch eine niedrigere Dosierung von 0,02 Prozent.“ Im Ergebnis war die 0,1-prozentige Variante wirksamer. „Spannend war, dass die Teilnehmer auch eine Verringerung der Symptome spürten. Hier befinden wir uns gerade noch in der detaillierteren Auswertung.“ Bisher kann Ursapharm durch die Studie bestätigen, dass Personen, die während der Sars-CoV-2-Infektion Azelastin regelmäßig nasal anwendeten, eine generelle Symptomlinderung erfuhren. Überprüft wurden hierbei 20 Symptome.
Die Proband:innen nutzten das Spray, abweichend von der Dosierung bei Heuschnupfen, dreimal täglich. Bei der allergischen Rhinitis sprüht der/die Anwender:in zweimal täglich. Die Symptome nahmen ab Tag 4 deutlich ab. Die Viruslast sank unter der Azelastin-Therapie bereites nach einem Tag schneller. „Die therapeutische Chance bei Sars-CoV-2 ist, dass dieses Virus längere Zeit im Nasen-Rachenbereich verbleibt. So kann man die Viruslast bestenfalls in einer frühen Phase bereits lokal deutlich absenken“, so Meiser. Unter der Anwendung von Azelastin sank die Viruslast vor allem bei den Personen schnell, die eine hohe Viruslast (Ct-Werte unter 25, beziehungsweise 20) aufwiesen. Ein hoher Ct-Wert von größer als 30 gilt als Richtwert dafür, dass ein Infizierter nicht mehr ansteckend ist.
Die Viruslast der mit Azelastin behandelten Patient:innen (0,1 Prozent) war bereits an Tag 4 der Therapie viermal niedriger als die Viruslast der Proband:innen der Plascebogruppe. Die PCR-Tests der Azelastin-Anwender waren frühzeitiger negativ als in der Placebogruppe. „Ein Vorteil der nasalen Anwendung ist der Weg des Wirkstoffes. Denn durch die mukoziliäre Reinigung wirkt das Antihistaminikum nicht nur in der Nase, sondern auch im Rachen.“ Und Meiser sieht noch einen klaren Vorteil: „Bei Pollival handelt es sich um ein zugelassenes Fertigarzneimittel. Der Arzneistoff wird seit Jahrzehnten angewendet. Wir kennen die Neben- und Wechselwirkungen. Die Viruslast wird gesenkt. Wir verfolgen also einen pharmakologischen Ansatz, es handelt sich nicht um ein Medizinprodukt oder einen gänzlich neuen Arzneistoff.“
Meiser ist sich der Schwächen der Studie bewusst: „Die Studienpopulation ist mit 90 Teilnehmern klein. Auch der Startzeitpunkt ist nicht optimal gewesen, jedoch den Umständen geschuldet.“ Bei einem noch früheren Start der Azelastin-Anwendung hätte eine hohe Viruslast vielleicht unterbunden werden können. Hierbei handelt es sich ganz klar um Vermutungen, betont Meiser.
Dennoch: Er ist von der Wirksamkeit überzeugt. Ursapharm wird nun weitere Schritte gehen, um eine Zulassungserweiterung für Pollival zur Anwendung im Rahmen einer Sars-CoV-2-Infektion zu erhalten. Aktuell könnte Pollival nur im Off-Lable-Use eingesetzt werden. Da es sich um ein OTC-Präparat handelt, welches im Rahmen einer häuslichen Isolation (nicht bei schweren Verläufen oder Hospitalisierungen) angewendet werden soll, ist ein Einsatz außerhalb der zugelassenen Indikation denkbar.
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