Im AvP-Insolvenzverfahren läuft es auf einen Vergleich hinaus, der für die Apotheken gar nicht so schlecht ist. Gewundert haben sich die betroffenen Kolleginnen und Kollegen allerdings über eine Klausel, nach der vor ihnen der Apothekerverband Nordrhein (AVNR) Geld bekommen soll – und zwar nicht weniger als eine halbe Million Euro. Rechtsanwalt und Steuerberater Dr. Bernhard Bellinger hat nachgehakt, der AVNR versichert, dass alles seine Richtigkeit hat.
Kommt der Vergleich auf eine Zustimmung von 80 Prozent nach Höhe der Forderungen seitens der Apotheken, gibt es Geld. 25 respektive 35 Prozent der zum Eintritt ins Insolvenzverfahren vorgefunden, danach eingegangenen oder noch ausstehenden Zahlungen werden an die Apotheken verteilt, wenn diese dafür auf ihre Aussonderungsrechte verzichten. Der Rest wird dann an alle Gläubiger ausgekehrt. Apotheken, die kurz vor dem Zusammenbruch des privaten Rechenzentrums noch einen Abschlag erhalten haben, werden mit individuellen Angeboten gelockt.
Bevor das Geld über einen Treuhänder an die Apotheken fließt, bekommt aber der AVNR noch Geld, und zwar nicht weniger als 496.000 Euro. Mit dem Geld sollen die Rechts- und Beratungskosten beglichen werden, die beim Verband für seine Bemühungen aufgelaufen sind.
Über diese Klausel ist auch Bellinger gestolpert. Er vertritt mehrere betroffene Apotheken und will ihnen auch zum Vergleich raten. Aber den Betrag findet er „ziemlich heftig“. „Wenn ich unterstelle, dass man für 350 Euro/Stunde zuzüglich Umsatzsteuer eine qualifizierte Beratung zum Insolvenzrecht erhalten kann, entspricht dieses Honorar einem Volumen von 1.191 Stunden (entspricht 30 Wochen je 40 Stunden Arbeitszeit…). Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass die Befassung der Kanzlei Glade/Michel/Wirtz ein solches Stundenquantum erreicht hat.“
Eine erste Nachfrage bei Insolvenzverwalter Dr. Jan-Philipp Hoos brachte die Auskunft, dass die Kanzlei habe unter anderem sehr zeitaufwendig die Abstimmung der Musterprozesse begleitet hatte, zu denen es dann später allerdings nicht gekommen war. Diese Tätigkeit sei für den Markt nicht wahrnehmbar gewesen und begründe sicher einen größeren Teil des Honorars, zitiert Bellinger aus der Antwort.
Also hakte er beim AVNR nach, und in seiner Antwort versichert Christoph Schmölzing als Sprecher der Geschäftsführung und Geschäftsbereichsleiter Recht und Allgemeine Verwaltung, dass alles seine Richtigkeit hat. Die ersten Gespräche und Beratungen habe man schon im September 2020 geführt, seitdem habe man sich quasi ununterbrochen mit der Angelegenheit beschäftigt. So seien in verschiedenen Konstellationen – zunächst leider erfolglose – Vergleichsgespräche geführt worden. Daran angeschlossen hätten sich dann umfangreiche Abstimmungen und Verhandlungen über Musterprozesse und schließlich über den Vergleich.
Auf der Grundlage einer Honorarvereinbarung habe die Kanzlei die angefallenen Stunden monatlich abgerechnet – ausschließlich dafür diene die im Vergleich erwähnte Summe, wobei man aufgrund noch anfallender Arbeiten als AVNR wohl noch draufzahlen werde. Alle Ausgaben seien im Rahmen der Jahresabschlüsse gegenüber den Mitgliedern transparent dargelegt worden, so Schmölzing auch im Namen von Verbandschef Thomas Preis und Vize Sebastian Berges. Wie hoch der Stundensatz tatsächlich war beziehungsweise wie viele Stunden jeweils abgerechnet, geht aus der Antwort nicht hervor.
Bellinger tut sich zwar auch nach den Ausführungen noch schwer damit, den Zeitaufwand nachzuvollziehen. „Ich will aber da gar nicht weiter hinterherforschen. Wie Sie schildern und belegen, sind Sie durch die Beschlüsse in den Mitgliederversammlungen mit der Freigabe der Jahresabschlüsse, die exakte Hinweise auf die Honorare enthalten, legitimiert. Dann soll es dabei sein Bewenden haben.“ Er werde seinen Mandanten raten, der Rahmenvereinbarungen beizutreten.
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