Kommentar

AvP-Vergleich: Apotheken um Millionen gebracht

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Berlin -

Im Zusammenhang mit der AvP-Pleite haben die Apotheken zum Unglück auch noch Pech gehabt. Denn gerade als der Vergleich mit der letzten Abschlagszahlung zum Abschluss gebracht wurde, kommt der Bundesgerichtshof (BGH) völlig überraschend zu dem Ergebnis, dass sich die früheren Kunden darauf gar nicht hätten einlassen müssen. So wurden die Betroffenen um einen dreistelligen Millionenbetrag gebracht. Ein Kommentar von Patrick Hollstein.

Es gibt Apotheken, die haben die AvP-Pleite weggesteckt und den Ärger über die teils sechsstelligen Ausfälle hinter sich gelassen. Aber es gibt auch ruinierte Existenzen – Kolleginnen und Kollegen, die am Ende eines langen Berufslebens vor einem Scherbenhaufen standen und ihre sicher geglaubte Altersvorsorge verloren haben.

Schockiert hat die Pleite des privaten Rechenzentrums alle Betroffen gleichermaßen und mit ihnen den gesamten Berufsstand: Wie soll man darüber hinwegsehen, dass man sich zur Verarbeitung seiner Rezepte an ein Abrechnungsunternehmen binden muss, ohne irgendwelche Sicherheiten vor Geschäftspartnern zu haben, die mit den fremden Geldern private Flugreisen finanzieren? Und das, während man selbst mit seinem gesamten Privatvermögen haftet!

Von Anfang an als besonders ungerecht empfunden wurde die Tatsache, dass die von den Krankenkassen an AvP überwiesenen Gelder angeblich nicht den Apotheken zustanden, sondern AvP gehört haben und damit Teil der Insolvenzmasse wurden. Mehrere Gerichte wiesen Klagen auf Auszahlung des im Grunde genommen treuhänderisch verwalteten Vermögens ab.

Insolvenzverwalter Dr. Jan-Philipp Hoos wurde nicht müde zu betonen, dass aus seiner Sicht keine Aussonderungsrechte bestanden. Dass er kein Interesse an einem Abfluss von Masse hatte, gehört zu seinem Job. Aber die vielen Berater der betroffenen Apotheken – allen voran der Apothekerverband Nordrhein, der den Vergleich ausgehandelt hatte und sich eine halbe Millionen für Anwaltskosten auszahlen ließ – müssen sich jetzt nach dem BGH-Urteil fragen lassen, warum ihnen keine Argumente eingefallen sind, die vereinbarte Forderungsabtretung zu erschüttern.

Genaue Zahlen gibt es nicht, rund 2500 Apotheken sollen betroffen gewesen sein. 309,1 Millionen Euro sollen sie im Insolvenzverfahren angemeldet haben, insgesamt beliefen sich die Forderungen der Gläubiger auf 626 Millionen Euro. Damit waren die Pharmazeuten die größte Gruppe unter den Gläubigern.

In drei Abschlagzahlungen hatten die Apotheken, die dem Vergleich beigetreten waren und auf ihre Aussonderungsrechte verzichtet hatten, insgesamt rund 15,4 Prozent erhalten; Anfang des Jahres kam eine weitere Abschlagsverteilung von etwa 25 Prozent hinzu. Der AVNR sprach von „einer erfreulichen Quote auf Ihre angemeldeten Insolvenzforderungen“.

Man könnte aber auch andersherum rechnen: Während wohl knapp 125 Millionen Euro an die Apotheken ausgezahlt wurden, blieben sie auf 184 Millionen Euro sitzen. Viel Geld, dass die Betroffenen in dieser wirtschaftlich schwierigen Lage hätten gebrauchen können – und das wohl die eine oder andere Apotheke vor dem Ruin gerettet hätte.

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