Von der AvP-Pleite sind tausende Apotheken getroffen. Obwohl teilweise zwei Monatsabrechnungen nicht ausgezahlt wurden, sollten die Apotheken auf diese Beträge Umsatzsteuer in voller Höhe abführen. Dagegen klagte eine betroffene Apotheke, der Musterprozess ging in erster Instanz jedoch verloren. Die Steuerberatungsgesellschaft Treuhand Hannover führt den Prozess und wertet es als wichtigen Teilerfolg, dass Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) zugelassen wurde.
Die Treuhand führt das Musterverfahren gegen das Finanzamt. Es geht um die Kernfrage, ob Apotheken Umsatzsteuer zahlen müssen, wenn das Geld aufgrund der AvP-Insolvenz nie geflossen ist. AvP hatte für die Abrechnungen für August und September 2020 nicht oder nicht vollständig ausgezahlt und Mitte September 2020 Insolvenz angemeldet.
Die Finanzämter erhoben dennoch die Umsatzsteuer in voller Höhe auf die über das Rechenzentrum abgewickelten Umsätze. Das Argument: Der Leistungserbringer – in diesem Fall die Krankenkasse – habe schließlich gezahlt, das Entgelt sei von der Apotheke vereinnahmt worden durch AvP. Die Einsprüche gegen die entsprechenden Bescheide wurden laut Treuhand „flächendeckend abgewiesen“.
Die Begründung des Fiskus ist aus Sicht der Treuhand deshalb falsch, weil sie von einer „nicht mehr europarechtskonformen umsatzsteuerrechtlichen Entgeltdefinition“ ausgeht. Dass schnell zur mündlichen Verhandlung geladen wurde, wertete die Treuhand als gutes Zeichen, dass das Finanzgericht die Tragweite erkannte und im Interesse aller Beteiligten möglichst schnell Rechtssicherheit schaffen wollte. Doch inhaltlich folgte das Finanzgericht der Auffassung des Finanzamtes und wies die Klage ab.
Die Treuhand wertet aber die Revisionszulassung als wichtigen Teilerfolg, denn dies sei in finanzgerichtlichen Verfahren die große Ausnahme. Es zeige, dass auch das Gericht die strittige Rechtsfrage nach der richtigen umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage gerne vom obersten deutschen Finanzgericht geklärt haben möchte, so die Treuhand. Sobald das Urteil des Finanzgerichts zugestellt ist, werde man Revision beim BFH einlegen.
Ein weiterer kleiner Erfolg des Musterverfahrens: Unzählige Finanzämter bundesweit hätten ihre Einspruchsverfahren mit Verweis auf das Verfahren ruhend gestellt, berichtet die Treuhand.
Dieser Musterprozess hat nichts mit den angestrebten Verfahren zu tun, die AvP-Insolvenzverwalter Dr. Jan-Philipp Hoos mit den Vertretern der Apotheker über etwaige Aussonderungsrechte aus der Insolvenzmasse führen will. Die Vorbereitungen für diese Verfahren befinden sich dem Vernehmen nach aber ebenfalls auf der Zielgeraden.
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