Die von der AvP-Pleite betroffenen Apotheken kommen nicht zur Ruhe. Nach den eher mickrigen Ausschüttungen in diesem Jahr flattert einigen von ihnen jetzt ein Schreiben der AOK Nordost ins Haus. Die Kasse macht plötzlich Ansprüche in Höhe der Abrechnungsbeträge eines Viertelmonats geltend.
Man wende sich an die Apotheke, um einen „offenen Sachverhalt im Zusammenhang mit der Insolvenz Ihres ehemaligen Abrechnungszentrums“ zu klären, beginnt das Schreiben vom 6. Dezember und kommt dann direkt zur Sache: Entsprechend der Regelungen des Arzneimittelversorgungsvertrages (AVV) habe man am 15. September 2020 noch eine Vorauszahlung auf die für den laufenden Monat erwarteten Abrechnungen an AvP geleistet, und zwar in Höhe von 25 Prozent der jeweiligen Rechnung aus dem Vormonat.
Diese Vorauszahlung hätte dann mit der Rechnung für den Abrechnungsmonat September verrechnet werden sollen. „Mangels einer Abrechnung für den genannten Monat durch die AvP Deutschland GmbH für Ihre Apotheke konnte diese Vorauszahlung nicht verrechnet werden.“ Stattdessen seien die Rezepte für den gesamten Monat von einem neuen Rechenzentrum eingereicht und dann auch vollständig beglichen worden. Daraus ergibt sich laut Kasse eine Überzahlung, die je nach Apotheke wohl im fünf- oder sogar sechsstelligen Bereich liegt.
Zum Zahlungszeitpunkt – ein Tag vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens – sei nicht bekannt gewesen, ob beziehungsweise welche Abrechnungsunterlagen vom Apotheker übergeben wurden, argumentiert die Kasse. „Insbesondere wurde der Krankenkasse durch den Apotheker nicht mitgeteilt, dass die Verordnungsblätter für September 2020 zurückgehalten wurden, um sie über ein neues Rechenzentrum einzureichen.“
„Wir möchten betonen, dass wir in den vergangenen Monaten intensiv versucht haben, eine direkte Inanspruchnahme Ihrer Apotheke zu vermeiden“, so die Kasse weiter. Bisher habe man jedoch keine anderweitige Lösung gefunden. Nachdem Insolvenzverwalter Dr. Jan-Philipp Hoos erklärt habe, dass er nur solche Rezeptforderungen beanspruche, die mit den jeweiligen Rezepten im Original belegt werden können, habe man die Abschlagszahlung als Insolvenzforderung angemeldet. Auch dies habe Hoos zunächst bestritten, inzwischen aber grundsätzlich anerkannt. Aber: „Mit einer vollständigen Befriedigung der Forderung im Zuge des Verteilungsverfahrens ist aber nach Auskunft des Insolvenzverwalters nicht zu rechnen.“
Die AOK geht davon aus, dass ihr ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch gegenüber der Apotheke und ihrem früheren Rechenzentrum zusteht; § 17 Abs. 4 Satz 3 AVV sehe eine gesamtschuldnerische Haftung in voller Höhe vor. Dass die Apotheke zwar über AvP noch eine Abschlagszahlung entgegengenommen habe, die Originalrezepte jedoch zurückgehalten habe, betrachte man als „vertragliche Nebenpflichtverletzung, die einen Schadensersatzanspruch begründet hat“.
Da die Rückforderung zum Jahresende zu verjähren droht, sollen die Apotheken eine Verjährungsverzichtsvereinbarung unterschreiben. Damit soll unbefristet und unbedingt eine Einrede der Verjährung ausgeschlossen werden. Die Kasse verspricht im Gegenzug, die aus ihrer Sicht bestehenden Ansprüche bis zum Abschluss des Insolvenzverfahrens nicht im Klageweg geltend zu machen. Und auch Zinsen bezüglich etwaiger Rückzahlungsforderungen sollen nicht anfallen.
Anderenfalls wäre man gezwungen, eine verjährungshemmende Klage vor dem Sozialgericht zu erheben. „Eine solche Klage würde die Gesamtforderung umfassen und nicht nur den Teil der Rückforderung, der nach Verteilung durch den Insolvenzverwalter übrigbleiben würde“, so die Mahnung.
Am Schluss werden noch einmal versöhnliche Töne angeschlagen: „Die Verjährungsverzichtsvereinbarung ermöglicht es uns, die Klärung der Angelegenheit ohne Zeitdruck und im gegenseitigen Einvernehmen fortzuführen.“ Bis kommenden Montag soll das Dokument unterzeichnet und zurückgeschickt werden.