Von der Pleite des Rechenzentrums AvP im Jahr 2020 waren rund 3500 Apotheken betroffen, der Schaden war in Einzelfällen existenzgefährdend. Dennoch sieht der Bundestag „keinen parlamentarischen Handlungsbedarf“. Eine entsprechende Petition der Betroffenen wurde endgültig abgeschmettert.
Apothekern Sandra da Cruz zählt zu den AvP-Opfern. 125.000 Euro hat sie durch die – mutmaßlich mit krimineller Energie herbeigeführte – Pleite des Rechenzentrums verloren. Und je länger das Insolvenzverfahren dauert, desto mehr schwindet ihre Hoffnung auf eine halbwegs versöhnliche Quote. Ihre Hausbank half ihr seinerzeit mit einem Kredit zu guten Konditionen, trotzdem wird sie wohl noch bis zu ihrer Rente abzahlen. Und sie kennt Kolleg:innen, die es noch viel härter getroffen hat.
Deshalb hatte Da Cruz seinerzeit eine Petition gestartet und für die betroffenen Apotheken eine Kompensation aus staatlichen Mitteln gefordert, einen Rettungsfonds oder eine staatliche Aufbaubank. Wichtig war ihr zudem, solche Katastrophen für die Zukunft zu vermeiden. Es sollten Mechanismen etabliert werden, um Finanzkriminalität rechtzeitig zu erkennen. „Denn wenn mir so etwas nochmal passiert, kann ich die Apotheke zumachen“, so da Cruz.
Die Apothekerin hatte in ihrer Petition moniert, dass die Apotheken de facto gezwungen seien, mit einem Rechenzentrum zusammenzuarbeiten, aber voll persönlich haften. Diese Risiken müssten durch eine stärkere staatliche Kontrolle kompensiert werden. Die Bankenaufsicht BaFin habe im Fall AvP leider versagt. Umso drängender sei nun ein Rettungsschirm für die betroffenen Apotheken.
Der Petitionsausschuss hatte eine Stellungnahme des Bundesfinanzministeriums (BMF) eingeholt, musste aber konstatieren, dass trotz erfolgter Prüfung durch die Bundesregierung keine spezifischen Maßnahmen für die AvP-Opfer geplant seien. Die Regierung hatte lediglich auf das bestehende KfW-Sonderprogramm verwiesen. Auch der Petitionsausschuss lässt sich umfassend über die Möglichkeiten aus, Sonderkredite zu erhalten. Da Cruz hatte schon in der Petition geäußert, dass es ihr nicht darum gehe, sich neues Geld leihen zu können.
Doch außer der Verweise auf die Kreditoptionen kam nichts weiter: „Der Ausschuss sieht vor diesem Hintergrund keinen parlamentarischen Handlungsbedarf im Sinne der Eingabe und empfahl daher, das Petitionsverfahren abzuschließen.“ Der Deutsche Bundestag hat die Sache am 24. März 2024 beraten und ist der Empfehlung gefolgt: „Mit dem Beschluss des Deutschen Bundestags ist das Petitionsverfahren beendet.“
Da Cruz ist enttäuscht, dass sich so wenige Apotheken beteiligt haben: 1126 Unterstützter hat die Petition online gefunden, 572 weitere kamen auf Unterschriftenlisten dazu. „Nicht einmal alle betroffenen Apotheken haben unterschrieben“, konstatiert die Apothekerin. Wenn alle Kolleg:innen in ihrem Familien- und Bekanntenkreis Unterschriften gesammelt hätten, wären schon fünf- bis sechsstellige Zahlen zusammengekommen. „Das ist frustrierend“, gibt da Cruz zu.
Aber sie kann die Kolleg:innen auch ein bisschen verstehen. Die Corona-Pandemie habe die Apotheken viel befasst und Kräfte gebunden. Sich dann noch politisch einzusetzen, sei da oft nicht mehr drin gewesen. Leider habe sich die Standesvertretung des Themas AvP auch nicht mit größter Dringlichkeit angenommen, findet da Cruz.
Da Cruz findet es ärgerlich, dass sich an der Abhängigkeit der Apotheken nichts ändere. Dabei verschärfe sich die Situation immer weiter: „Ich hatte neulich ein Rezept über 60.000 Euro. Da wird einem schwindelig. Die Angst, mit dem Privatvermögen für die Fehler der anderen zu haften, wird mit Blick auf unsere Marge immer größer.“ Direkt nach der AvP-Pleite hatte sie sogar überlegt, die Apotheke abzugeben und sich eine neue Beschäftigung zu suchen, in der Industrie, im Krankenhaus oder in der Schweiz. Aber die Verantwortung für ihr Team, die Arbeitsplätze und die Patient:innen haben sie zum Bleiben bewogen. „Es ist so ein schöner Beruf, aber so eine Geschichte macht es einem schwer, ihn noch zu lieben“, so ihr Fazit.
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