AvP-Apotheker insolvent: Finanzamt fordert Umsatzsteuer Carolin Ciulli, 25.03.2024 10:12 Uhr
Die AvP-Pleite hat Joachim Seidel die Existenz gekostet. Der Inhaber der Löwen-Apotheke in Sindelfingen muss seinen Betrieb diese Woche schließen – er musste Insolvenz anmelden. Denn das Finanzamt fordert für die Abrechnungen, die vom privaten Rechenzentrum nicht mehr gezahlt wurden, Umsatzsteuer. Die jetzt erfolgten Vorabauszahlungen helfen dem Apotheker auch nicht mehr.
Seidel führt die Löwen-Apotheke seit 35 Jahren. Er war viele Jahre im Landesapothekerverband (LAV) Baden-Württemberg aktiv und vertrat seine Region als Sprecher. Dass er seine Berufslaufbahn so beenden würde, hätte er nicht erwartet. Als er sich 2021 aus der Standespolitik zurückzog, hieß es, dass er sich als von der AvP-Insolvenz betroffener Apotheker „voll und ganz auf seine Apotheke konzentrieren muss, was seine ganze Kraft erfordert“. Ihm fehlten deshalb knapp eine halbe Million Euro an Einnahmen.
Fiskus fordert Jahresgewinn
Doch seine Mühe war umsonst, als zuletzt die Forderung des Fiskus kam: Das Finanzamt macht auf die von AvP nicht ausbezahlten Abrechnungen die Umsatzsteuer in voller Höhe geltend – etwa 80.000 Euro. Der Apotheker kritisiert dieses rigorose Vorgehen, denn die Abrechnungssumme hat er nie erhalten. „Das ist Geld, das uns gestohlen wurde“, sagt er.
Auch andere Apotheken sehen sich mit entsprechenden knallharten Forderungen des Fiskus konfrontiert. Teilweise geht es um zwei Monatsabrechnungen, die nicht ausgezahlt wurden, auf die die Apotheken aber Umsatzsteuer in voller Höhe abführen sollen. Dagegen klagte eine betroffene Apotheke, der Musterprozess ging jedoch in erster Instanz verloren. Der Fall ging in Revision und liegt jetzt beim Bundesfinanzhof (BFH). Es geht um die Frage der richtigen umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage; die Treuhand führt das Musterverfahren gegen das Finanzamt.
Der Ausgang wird Seidel nicht mehr betreffen. Der 64-Jährige will die Privatinsolvenz hinter sich bringen und dann in Rente gehen. Er hat lange überlegt, wie er seinen Betrieb für die Kundinnen und Kunden weiterführen könnte. Eine Idee war, dass seine Frau einspringt, doch mit dem Vermieter gab es diesbezüglich keine Einigung, wie es in einem Bericht der Sindelfinger Zeitung heißt. Seinen Ruhestand habe er sich anders vorgestellt. „Ich finde es grenzwertig, dass in Deutschland in unserem Fall nicht differenziert wird.“ Wichtig sei ihm gewesen, dass die Kundschaft wisse, warum er die Apotheke schließen muss und die Arzneimittelversorgung wegfällt.