AvP: 193 Millionen Euro wurden noch ausgeschüttet Alexander Müller, 28.09.2020 14:50 Uhr
Kurz vor dem Insolvenzantrag hat das Rechenzentrum AvP an einzelne Apotheken noch Geld ausgeschüttet. Nach Informationen von APOTHEKE ADHOC handelt es sich um eine Gesamtsumme von 193 Millionen Euro – die natürlich jetzt in der Insolvenzmasse fehlen. Unterdessen hat der Aufsichtsrat der AvP Service AG Inhaber Mathias Wettstein als Vorstandsvorsitzenden abberufen und Antrag auf Insolvenz gestellt. Auch für die AvP Dienstleistung GmbH wurde Insolvenz angemeldet. Vorläufiger Insolvenzverwalter ist wie bei der AvP Deutschland GmbH Rechtsanwalt Dr. Jan-Philipp Hoos.
Die letzten Tage der Geschäftstätigkeit bei AvP haben viel zu der verfahrenen Situation beigetragen, in der sich das Insolvenzverfahren jetzt bewegt. Nachdem die beim Rechenzentrum engagierten Banken den Konsortialvertrag gekündigt hatten, klaffte bei AvP eine riesige Liquiditätslücke. Die Zeit zwischen der Auszahlung an die Apotheken und den Eingängen der Krankenkassen konnte das Rechenzentrum nicht aus eigenen Mitteln stemmen. Die Apotheken warteten auf ihr Geld, Hinweise auf größere Probleme bei AvP verdichteten sich immer weiter.
Ab dem Abend des 7. September, ein Montag, konnte AvP kein Geld mehr auszahlen. Erst am Freitag kam wieder Geld rein und das Konto drehte ins Plus. Die Banken kündigten sofort ihre Kreditlinien, womit das Aus des Rechenzentrums besiegelt war.
Wettstein hatte zwischenzeitlich seinen Geschäftsführer Jochen Brocher sowie die beiden Vorstände Tobias Wölk und Joachim Averdung entlassen und regierte freihändig im Unternehmen. Sobald wieder Guthaben auf dem Konto war, überwies Wettstein – nach welchem System auch immer – Geld an einzelne Apotheken, in der Summe jene knapp 200 Millionen Euro. Diese Apotheker könnten nach Einschätzung von Insolvenzverwalter Hoos Glück haben: Da sie die Beträge nicht aktiv und in Kenntnis der drohenden Insolvenz gezogen haben, müssen sie wohl nicht mit Rückforderung rechnen.
Die fälligen Auszahlungen an die anderen Apotheker wurden dagegen vorerst Teil der Insolvenzmasse. Die Frage der Aussonderung muss noch geklärt werden – was inklusive einer wahrscheinlichen gerichtlichen Klärung aber Jahre dauern könnte. Hoos und der von der Bafin eingesetzte Sonderbeauftragte Dr. Ralf Bauer müssen sich zunächst einen Überblick verschaffen, alle Forderungen und Ansprüche klären. Parallel ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen zwei Beteiligte.
AvP hat die Apothekenabrechnung komplett eingestellt, das Krankenhausgeschäft soll dagegen weitergeführt werden. Ungefähr 70 Klinikapotheken sollen betroffen sein, auch hier fehlt dem Vernehmen nach ein höherer zweistelliger Millionenbetrag. Aufgrund der Einzelverträge mit den Krankenkassen vergehen zwischen Einreichung der Rezepte und Eingang der Gelder in der Buchhaltung im Krankenhaus zwischen vier und acht Wochen. Der August-Ausfall könnte also womöglich erst in der Oktoberabrechnung auftauchen. Betroffen ist natürlich nur der ambulante Bereich, stationär abgegeben Arzneimittel werden über die Pauschalen abgegolten.
Trotzdem besteht auch im Kliniksektor viel Unruhe: Wegen der massiv gesunkenen Fallzahlen in der Corona-Krise haben viele Häuser ohnehin Liquiditätsprobleme. Wenn jetzt auch noch Geld aus der Abrechnung fehlt, drohe gerade kleinere Kliniken womöglich die Insolvenz, sagt ein Insider. Die Branche hofft auf einen erweiterten Rettungsschirm der Politik.
Auf die Frage, ob für die niedergelassenen Apotheken vor Ort die Gefahr besteht, gegenüber den Krankenhausapotheken schlechter gestellt zu werden, antwortete Insolvenzverwalter Hoos: „Eine unterschiedliche Behandlung von Krankenhaus- und Offizinapotheken erfolgt hinsichtlich etwaiger Forderungen aus der Vergangenheit nicht.“