Bei der Abgabe von L-Thyroxin müssen Apotheker die Rabattverträge nicht mehr beachten. Ist ein anderes Präparat namentlich verordnet, dürfen sie den Vertrag sogar gar nicht bedienen: Die Substitutionsausschlussliste gilt absolut und sticht auch die Rabattverträge aus. Das hindert die Krankenkassen aber nicht daran, jetzt noch Retaxationen für die Zeit vor der Aut-idem-Liste auszusprechen. Und manchmal tun sie das ganz besonders ungeschickt.
Seit dem 10. Dezember dürfen acht Wirkstoffe in der Apotheke nicht mehr ausgetauscht werden, neben Levothyroxin und der Kombination mit Kaliumiodid sind es Digitoxin, β-Acetyldigoxin, Phenytoin, Ciclosporin, Tacrolimus und Digoxin. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat diese Wirkstoffe von der Substitution ausgeschlossen – wegen der engen therapeutischen Breite.
Vor dem 10. Dezember mussten die Apotheker dagegen die Rabattverträge beachten. Und es gibt Kassen, die darauf pochen. Die BKK R+V etwa retaxierte kurz vor Weihnachten einen Apotheker, der vor Inkrafttreten der Liste den Austausch des Rabattpartners bei L-Thyroxin versäumt hatte.
Noch schräger ist ein aktueller Fall der Barmer GEK: Die Kasse retaxierte im Juni eine Konstanzer Apotheke, weil diese sich nicht an den Rabattvertrag gehalten hatte. Die Barmer hatte noch im August neue Verträge mit Aristo, Betapharm und der Bietergemeinschaft Zentiva/Sanofi geschlossen. Die Retaxation war offenbar nicht einmal gerechtfertigt: Der Arzt hatte bei der Verordnung ein Aut-idem-Kreuz gesetzt. Und das Ganze passierte der Barmer gleich zweimal – am selben Tag.
Der Apotheker hat Widerspruch eingelegt: „Es ist schon dreist, eine mit dem verordneten L-Thyroxin versorgte Verordnung, auch wenn die Regelung seinerzeit noch nicht galt, jetzt zu retaxieren. Sie gehen also davon aus, dass damals die Bioverfügbarkeit noch egal war.“ Offenbar sei der Kasse zudem das Aut-idem-Kreuz egal. „Ich nehme an, Sie annullieren diese Retaxationen schnellstens“, schrieb der Apotheker.
Die fragliche Abgabe des Hormonpräparats war Ende September erfolgt. Die Retaxation verschickte die Barmer am 10. Juni. Auf seinen Einspruch zwei Tage später habe Barmer bislang nicht reagiert, berichtet der Apotheker. Auf Nachfrage hieß es bei der Kasse, der Fall werde geprüft. Der Apotheker betont aber, dass die Barmer ansonsten nicht zu den retaxwütigen Kassen gehört. Im Umgang mit berechtigten Widersprüchen könne sich die Kasse allerdings verbessern: Eine Retaxation aus dem Januar über rund 2000 Euro habe die Kasse erst kürzlich zurückgenommen.
Die Geschichte könnte sich demnächst wiederholen: Der G-BA hat sieben weitere Wirkstoffe für die Liste vorgesehen: Buprenorphin in der Darreichungsform transdermale Pflaster (TTS), Carbamazepin, Oxycodon und Valproinsäure als Retardtabletten sowie in Tablettenform Phenobarbital, Phenprocoumon und Primidon.
Die ABDA hat den G-BA im Stellungnahmeverfahren dazu aufgefordert, diesmal eine Frist für die Umsetzung vorzusehen. Die ABDA wünscht sich außerdem eine Lösung für grundsätzliche Probleme: So sollen Importe ausgetauscht werden können, auch bei Lieferengpässen und im Notdienst soll eine Substitution möglich sein.
Denn bislang müssen die Apotheker ihre Patienten in diesen Fällen zum Arzt zurückschicken, damit dieser ein neues Rezept schreibt. Das gleiche gilt für Wirkstoffverordnungen, denn diese sind nach den Regeln der Substitutionsausschlussliste unklare Verordnungen und dürfen nicht beliefert werden – sonst droht die nächste Nullretaxation.
Nur in einem Punkt lassen einige Rezeptprüfer schon einmal Gnade vor Recht ergehen: Nicht retaxiert wird bei einigen Kassen, wenn sich die Apotheke trotz Aut-idem-Liste an die Rabattverträge hält und das Präparat austauscht.
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