Hecken: Apotheker verunsichern Patienten APOTHEKE ADHOC, 16.12.2014 15:18 Uhr
Die Weihnachtsfeiertage stehen an, und damit viele Notdienste in den Apotheken. In einer Zeit allgemeiner Besinnlichkeit wird manches für den Apotheker besonders schwierig – zum Beispiel die Versorgung mit Präparaten, die neuerdings auf der Aut-idem-Liste stehen. Im Zweifelsfall müssen Patienten zum Notarzt geschickt werden, um unklare Verordnungen von einem Arzt korrigieren zu lassen. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) weist die Kritik der Apothekerschaft bezüglich der fehlenden Übergangsfrist zurück.
Die Substitutionsausschlussliste gilt seit knapp einer Woche. Die Liste war am Mittwoch in Kraft getreten, nachdem der Beschluss am Tag zuvor im Bundesanzeiger veröffentlicht worden war. Acht Wirkstoffe dürfen seitdem nicht mehr substituiert werden: Levothyroxin, Levothyroxin/Kaliumiodid, Digitoxin, β-Acetyldigoxin, Phenytoin, Ciclosporin, Tacrolimus und Digoxin.
Weder die Apothekensoftware noch die Ärzte waren auf das plötzliche Inkrafttreten der Liste vorbereitet. Apotheker, wie zum Beispiel Nordrheins Kammerpräsident Lutz Engelen, kritisieren daher die fehlende Übergangsfrist. Der G-BA hätte den Zeitpunkt der Umsetzung in seinem Beschluss definieren können und damit eine Vorbereitung ermöglicht.
Der G-BA-Vorsitzende Josef Hecken kann die Aufregung nicht nachvollziehen: Die Kritik der Apotheker gehe an den Tatsachen vorbei und verunsichere ohne Not Patienten. Hecken weist darauf hin, dass die Wirkstoffliste bereits am 18. September vom G-BA beschlossen worden sei. „Die Substitutionsausschlussliste ist keine überraschend verabschiedete Neuregelung, die für niemanden im Vorfeld zu erahnen war“, so Hecken. Die Liste sei lange und intensiv vorbereitet worden. „Es war für jeden im System erkennbar, dass eine solche Zusammenstellung erfolgen wird“, meint der G-BA-Vorsitzende.
Darüber hinaus seien die Apotheker im Vorfeld über das Stellungnahmeverfahren und die mündliche Anhörung an der Beratung im G-BA beteiligt gewesen. Im Rahmen dieses Verfahrens seien 18 schriftliche Stellungnahmen von Apothekern und apothekennahen Fachgesellschaften abgegeben worden.
Mit Blick auf den Verfahrensverlauf sei der Ruf nach einer Vorbereitungszeit für die Umsetzung kaum nachvollziehbar, so Hecken. „Dies gilt umso mehr, als dass die Apotheker vor der gesetzlichen Beauftragung des G-BA eine nicht unerhebliche Zeit – wenn auch erfolglos – selbst mit der Erstellung einer Substitutionsausschlussliste betraut waren.“
Weiter sagte Hecken: „Besonders überrascht die Forderung der Apothekerschaft nach einer Übergangsfrist auch deshalb, weil die Regelung dem Patientenschutz dient.“ Denn die Festlegung, welche Arzneimittel nicht ausgetauscht werden dürften, verbessere die Therapiesicherheit für Patienten. „Die bedingungslose und zügige Umsetzung der Regelung erscheint auch aus dieser Sicht mehr als geboten“, betont der G-BA-Vorsitzende.
Aber gerade die Sicherheit der Patienten sehen Apotheker in Gefahr, wenn sie gegen besseren Sachverstand ein Präparat abgeben, dass der Arzt zwar aufgeschrieben hat, auf das der Patient aber gar nicht eingestellt ist. In diesem Fall bleibt ihnen nichts übrig, als das Rezept vom Arzt korrigieren zu lassen.
Das kann besonders während der Feiertage kompliziert werden. Zwar werden die Wirkstoffe vor allem in der Dauermedikation eingesetzt und wohl kaum Patienten während der kommenden Tage neu eingestellt. Problematisch wird es aber, wenn ein Patient mit einem unklaren Rezept in eine fremde Stadt kommt oder sein Arzt im Urlaub ist.
Dann bleibe den Apothekern nichts anderes übrig, als die Patienten zum Notarzt zu schicken, erklärt Dr. Peter Homann, Vorsitzender des Hessischen Apothekerverbands (HAV). Er empfiehlt den Apothekern, streng nach der Vorgabe zu handeln und das Rezept im Zweifelsfall zu einem Arzt zu schicken.
Am besten ist es Homann zufolge schon vor dem Notdienst mit den Ärzten zu sprechen und die Situation zu erklären. Wichtig sei, dass der Arzt die Änderung abzeichne – sonst bestehe für die Apotheker die Gefahr, auf Null retaxiert zu werden. Es reiche nicht aus, wenn der Apotheker die Änderung auf dem Rezept vermerke. Trotz der Schwierigkeiten Homann ist überzeugt: „Mit Kommunikation kriegt man das hin – aber es macht keinen Spaß.“
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