Aut-idem-Kreuz: Import oder Original abgeben? Sandra Piontek, 12.01.2023 14:10 Uhr
Wird ein Original-Arzneimittel auf einem Muster-16-Format mit aut-idem-Kreuz in der Apotheke vorgelegt, kann es zu unangenehmen Diskussionen kommen. Denn auch wenn Kund:innen es manchmal nicht glauben wollen: Das Kreuz schützt nicht vor der Abgabe von Importen, auch nicht wenn das abzugebende Arzneimittel einen völlig anderen Namen hat.
Import und Original gelten als identisch – das Aut-idem-Kreuz läuft ins Leere. Das Substitutionsverbot gilt in dem speziellen Fall nicht. Dabei ist es unerheblich, ob sich die Präparate im Namen unterscheiden. So können beispielsweise Clexane als Spritzen im Original verordnet werden, aber abgegeben werden muss unter Umständen Lovenox, obwohl das aut-idem-Kreuz gesetzt wurde. Wenig Verständnis haben dafür die Kund:innen, die sich das Kreuz vom Arzt/von der Ärztin wünschten, um ihre gewohnte Medizin zu erhalten. Umso größer der Ärger, wenn die Apotheke dann erklären muss, dass der Zusatz nicht vor einem Austausch zwischen Original und Import schützt.
Therapiehoheit
Bestehen begründete Bedenken hinsichtlich der Compliance, so kann die Apotheke pharmazeutische Bedenken geltend machen. Hierbei sollte der genaue Grund vermerkt werden und mit Datum und Unterschrift gegengezeichnet werden. Doch auch der Arzt oder die Ärztin kann vorsorglich einen Hinweis auf die Verordnung schreiben. Dieser zusätzliche Vermerk zum Aut-idem-Kreuz bewirkt aufgrund der ärztlichen Therapiehoheit, dass ein Austausch ausgeschlossen wird. Die sicherste Variante für alle drei Parteien: Arztpraxis, Apotheke und Patient:in.
Noch nicht vertraglich geklärt
Während im Arzneiversorgungsvertrag der Ersatzkassen diesbezüglich bereits ein entsprechender Absatz eingefügt wurde, bleiben Apotheken bei der Belieferung von Primärkassenpatient:innen schlimmstenfalls auf ihren Kosten sitzen.
„Hat der Vertragsarzt ein Fertigarzneimittel unter seinem Produktnamen und/oder seiner Pharmazentralnummer unter Verwendung des Aut-idem-Kreuzes verordnet, ist dies im Verhältnis von importiertem und Bezugsarzneimittel mangels arzneimittelrechtlicher Substitution unbeachtlich. Dies gilt nicht, wenn der Arzt zusätzlich zum Aut-idem-Kreuz auf der Verordnung vermerkt hat, dass aus medizinisch-therapeutischen Gründen die Abgabe des verordneten Arzneimittels erfolgen soll“, so § 5 Abs. 9 des AVV der vdek-Kassen.
Selbstzahler bei Primärkassen
Bei den Primärkassen fehlt ein solcher Zusatz. Somit bleibt der Apotheke aktuell kein anderer Weg, als Patient:innen zu erläutern, dass es sich bei den Produkten um gleiche Arzneimittel handelt. Sollte dennoch eine Abgabe des Originals gewünscht sein, so kann dies nur auf Grundlage eines Privatrezeptes oder dem Sonderfall „vom Patienten gewünscht“ erfolgen. In beiden Fällen muss das Medikament dann aber selbst gezahlt werden.
Achtung: Normalerweise dürfen nur Verschreibende das Kreuz setzen und auch wieder aufheben. Doch momentan gibt es eine Ausnahme dieser Regelung. Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie wurden verschiedene Lockerungen gestattet, um die Versorgung der Patient:innen zu sichern und der Apotheke Arbeitsschritte zu erleichtern. Die Aufhebung des Aut-idem-Kreuzes durch die Apotheke auf Grundlage der Sars-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung ist noch bis zum 7. April gültig.
Kein neues Rezept nötig
Demnach darf die Apotheke nach Rücksprache mit der Arztpraxis das Aut-idem-Kreuz aufheben und unter bestimmten Voraussetzungen auf ein pharmakologisch-therapeutisch vergleichbares Arzneimittel austauschen – wenn das rezeptierte Arzneimittel nicht vorrätig und nicht lieferbar ist. Ein neues Rezept muss nicht ausgestellt werden, aber die Arztrücksprache muss per Dokumentation auf dem Rezeptaufgebracht und unterschrieben werden.