Aus Versehen Lockdown beschlossen Alexander Müller, 18.03.2023 07:05 Uhr
Die Schlange vor der Apotheke ist sehr lang. Es dürfen maximal drei Kund:innen in die Offizin und die Wartenden halten den Sicherheitsabstand ein. Worauf warten sie denn? Sie benötigen ein negatives Testergebnis, um sich auf die mit Flatterband abgesperrte Parkbank setzen zu dürfen. Plötzlich gelten wieder sämtliche Corona-Schutzmaßnahmen.
„Und haben Sie noch Desinfektionsmittel?“, fragt die Kundin, die gerade ihr Rezept über Toilettenpapier eingelöst hat. „Müssen wir erst wieder herstellen“, antwortet Apothekerin Marianne Petersberger. „Der nächste bitte.“
Eine junge Familie tritt vor. Klar denkt Petersberger, die Kitas und Schulen sind ja wieder zu. Fiebersaft hat sie gerade leider nicht, aber das mit den Atemwegsinfekten dürfte ja bald wieder vorbei sein, denkt sie sich. So ein Lockdown hat auch sein Gutes. Immerhin kann sie dem Vater das gewünschte Impfzertifikat ausstellen. Denn das braucht er, um im Homeoffice von der Maskenpflicht befreit zu werden.
Eigentlich wollte Gesundheitsminister Lauterbach – getrieben von den Ampelfraktionen – nur die Abgabeerleichterungen für die Apotheken verlängern, damit die Lieferengpässe nicht noch mehr Chaos verursachen. Für das totale Chaos hat Lauterbach jetzt selbst gesorgt. Denn beim Ausfertigen des Gesetzestextes ist ein klassischer Copy-Paste-Fehler passiert: Mit Verweis auf das Infektionsschutzgesetz gelten in Deutschland jetzt wieder ALLE Corona-Maßnahmen, die sich der Gesetzgeber in vergangenen Jahren ausgedacht hat. Pech gehabt.
„Wir werden das schnellstmöglich korrigieren“, kündigt der Minister an. Bis nach der parlamentarischen Sommerpause werde das neue Gesetz aber wohl brauchen, weil der Bundesrat zustimmen muss. Und Monsieur Söder ist aktuell mal wieder im „Team Vorsicht“, aber das könnte bis zur Landtagswahl aufgrund demoskopischer Schwankungen noch ein paar Mal ändern. Und überhaupt: Im Herbst rollt doch bestimmt die nächste Welle, da kann das Plexiglas gleich stehenbleiben, findet Lauterbach und twittert eine Studie.
Sprung in die kalte Wirklichkeit. Da hat der echte Minister Karl Lauterbach zwar nicht aus VERSEHEN Maßnahmen verhängt, aber durchaus VERSÄUMT, die Abgaberegeln selbst zu verlängern. Man könnte auch von VERSAGEN sprechen. Wie die Lage in der Offizin ist, zeigen anschaulich die aposcope-Befragung und der Expertentalk APOTHEKE LIVE.
Immerhin hat die Ampel aus dem Parlament heraus korrigiert und mit dem UPD-Gesetz nach vermutlich gar nicht so langem Suchen auch das Richtige Vehikel gefunden. Die Abda würde sich diesen Erfolg zwar gerne auf die eigene Fahne schreiben, war bei der eigenen Protest-Pressekonferenz aber dann doch zu offensichtlich überrascht von den neuen Entwicklungen.
Laut will die Abda jetzt werden, noch lauter, am Lauterbach. Bislang gelingt es dem Minister, dempnstrativ wegzuhören, wenn die Apotheker:innen etwas einfordern. Nächste Woche gibt es wieder eine Gesprächsrunde bei der Abda, bei der die Eskalationsstrategie erklärt werden soll. Vermutlich hat sich die Abda selbst auferlegt, sich für den Protest erst noch präqualifizieren zu müssen. Lieferengpass-Abreißblöckchen und ehrenamtliche Social Media-Beauftragte werden das Ministerium vermutlich nicht erzittern lassen. Die Leisesten werden die Letzten sein.
Kein typisches Problem der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Die ist natürlich gegen gelockerte Abgaberegeln. Und die Apotheken sollen öfter in den Praxen anrufen, wünscht sich KBV-Vize Stephan Hofmeister. Das nennt man wohl engen Kontakt zur Basis. Die Hausärzte in Nordrhein zeigen, wie man es besser macht.
Was die Berufsgruppen bundesweit eint, ist das Problem des Fachkräftemangels. Kein Wunder, dass sich viele helfende Hände anbieten. Doch nicht immer halten die Dienstleister, was sie am Anfang versprochen und verkauft haben. Und was wäre, wenn PTA doch ganz alleine vertreten dürften? Nur ausnahmsweise und in ganz kleinen Landapotheken? Der Erbe der Niederlassungsfreiheitskämpfer hat sich das am Spätnachmittag seiner Berufstätigkeit noch zum Grundsatzaufgabe gemacht.
Eine interessante Einzelpersonalie gab es noch in der abgeschiedenen Welt der Versender: Shop Apotheke ersetzt CEO Stefan Feltens im August durch Olaf Heinrich. Der bringt zwar als langjähriger DocMorris-Chef viel Erfahrung mit, aber damit eben auch nicht die besten Erfahrungen.
Wer ausschließlich gute Erfahrungen erleben möchte, sollte die APOTHEKENTOUR besuchen. An diesem Wochenende geht es in Berlin los, nächste Woche fährt der Zirkus weiter nach Frankfurt und dann noch an zehn weitere Standorte. Wir sehen uns!