Dokumentation bis zum Tod – und danach Julia Pradel, 26.03.2015 09:51 Uhr
In der Apotheke müssen zahlreiche Unterlagen aufgehoben werden: Herstellungsprotokolle, BTM-Rezepte, Jahresabschlüsse oder Lohnkonten sind nur einige Beispiele. Die meisten Dokumente dürfen erst nach fünf oder zehn Jahren vernichtet werden, andere allerdings erst nach 30 oder 40 Jahren. Auch wenn es die Apotheke selbst nicht mehr gibt, müssen die Unterlagen aufgehoben werden.
Wenn eine Apotheke verkauft oder vererbt wird, gehen die Unterlagen in den Besitz des Rechtsnachfolgers über – also den Käufer oder Erben. Das gilt auch, wenn der Erbe kein Apotheker ist: Dann kann er die Apotheke für maximal ein Jahr durch einen approbierten Apotheker verwalten lassen und hat solange Zeit, einen Käufer zu finden.
Alternativ erlaubt das Apothekengesetz (ApoG) auch die vorübergehende Verpachtung der Apotheke. Verpachtet werden darf die Apotheke durch die erbberechtigten Kinder, bis das jüngste das 23. Lebensjahr vollendet oder eines selbst die Approbation erlangt hat. Auch die verwitweten Ehegatten dürfen die Apotheke verpachten, bis sie erneut heiraten. Am besten belässt man in dieser Zeit die Unterlagen in der Apotheke. Das rät beispielsweise auch die Bayerische Landesapothekerkammer (BLAK).
Anders sieht es aus, wenn die Apotheke schließt und es keinen Nachfolger gibt. Der einfachste Fall: ein Apotheker geht in Rente. Auch nach der Schließung liegt laut Apothekerkammer Niedersachsen „die Verpflichtung und damit auch die Verantwortung, die Aufbewahrung der Unterlagen sicherzustellen, in den Händen des ehemaligen Betriebserlaubnisinhabers“.
Die Dokumente müssen dann also noch aufgehoben werden. Die Geschäftsstelle in Hannover empfiehlt, „die Aufzeichnungen bei professionellem Archivunternehmen einzulagern, und der Apothekerkammer Niedersachsen mitzuteilen, wo die Unterlagen liegen“. Die BLAK empfiehlt in solchen Fällen, die Dokumente an die zuständigen Behörden weiterzuleiten, also etwa das Landratsamt oder das Regierungspräsidium.
Werden die Unterlagen privat, etwa im Keller, eingelagert, stellt sich die Frage nach der Aufbewahrung nach dem Tod des ehemaligen Apothekeninhabers erneut. Gibt es einen Erben, gehen die Rechte und Pflichten des Erblassers auf ihn über.
„Das gilt auch im Todesfall eines Apothekeninhabers“, erklärt die Kammer Niedersachsen. „Stirbt der Inhaber, geht die Pflicht zur Aufbewahrung von Unterlagen auf die Erben über.“ Diese Regelung sei nicht apothekenspezifisch, sondern gelte auch in anderen Berufen, etwa bei Rechtsanwälten. Auch deren Erben seien verpflichtet, die Unterlagen von Mandanten aufzubewahren.
Wenn die Erben das Erbe allerdings ausschlagen, müssen sie sich nicht nur nicht um die Unterlagen kümmern, sie dürfen es gar nicht. „Dann verliert der Erbe die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis – er dürfte die Unterlagen dann nicht einmal besitzen“, erklärt Rechtsanwältin Nicole Scholze von der Kanzlei Andreas Schneider.
Bei einer Insolvenz übernimmt der Insolvenzverwalter die Verantwortung für die Unterlagen und sorgt dafür, dass sie an den Nachfolger gehen, eingelagert oder der zuständigen Behörde übergeben werden. Anders sehe es aus, wenn es nicht zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens komme, so Scholze: „Dann landen die Unterlagen im Niemandsland.“ Denn dann sei niemand verantwortlich, und oft würden die Unterlagen weggeworfen. Das geschehe dann etwa durch den Vermieter – allerdings sei fraglich, ob der überhaupt Zugang zu den Unterlagen haben dürfte.
Die meisten Unterlagen müssen fünf Jahre aufgehoben werden. Dazu gehören etwa Herstellungs- und Prüfprotokolle für Rezepturen, Defekturen, Ausgangsstoffe sowie Fertigarzneimittel und Medizinprodukte. Auch Rückrufe, Chargensperrungen und Meldungen an die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) sowie die Dokumentation von Erwerb und Abgabe verschreibungspflichtiger Tierarzneimittel müssen fünf Jahre aufbewahrt werden.
Dokumente zu Betäubungsmitteln müssen drei Jahre gelagert werden: BTM-Rezepte, die BTM-Kartei, Lieferscheine, Vernichtungserklärungen und die Patientenkartei bei der Subsitutionsmitteleinnahme. Buchhalterische Unterlagen wie Jahresabschlüsse, Eröffnungsbilanzen, Inventarlisten, Buchungsbelage und Handelsbücher müssen zehn Jahre aufbewahrt werden, Lohnkonten und die dazugehörigen Belege sechs Jahre.
Ebenfalls zehn Jahre aufgehoben werden muss das Alkoholverwendungsbuch für steuerfreien Alkohol. 30 Jahre lang müssen laut Transfusionsgesetz Unterlagen zu Blutzubereitungen, Sera aus menschlichem Blut und Zubereitungen aus anderen Stoffen menschlicher Herkunft sowie von gentechnisch hergestellten Plasmaproteinen zur Behandlung von Haemostasestörungen gelagert werden.
Und sogar 40 Jahre lang muss das Verzeichnis der Beschäftigten, die mit krebserregenden, erbgut- oder fruchtschädigenden Gefahrstoffen arbeiten, aufbewahrt werden. Dabei stellt sich das Problem des Nachlasses allerdings nicht: Denn nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses müssen die Daten dem jeweiligen Mitarbeiter ausgehändigt werden.