Auf dem Rezept: Apothekerin stichelt gegen Versender Carolin Ciulli, 20.05.2019 15:00 Uhr
Die Defektlisten vieler Kollegen sind lang. Lieferengpässe gehören zum Dauerproblem im Alltagsgeschäft. Eine Apotheke bekam vergangene Woche ein Rezept vorgelegt, das von einer Versandapotheke wegen eines Defekts zurückgeschickt worden war. Die Apotheke sprang ein – doch die Inhaberin konnte sich einen Seitenhieb auf der Verordnung nicht verkneifen.
Immer wieder kommt es in Apotheken vor, dass Kunden kommen, weil sie von Versandapotheken nicht beliefert wurden. „Wir hatten das im Dezember und über Weihnachten“, sagt die Apothekerin. Zwischen 100 und 150 Lieferengpässe bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln werden in ihrem Betrieb im Schnitt angezeigt. Die Lage sei bei Präparaten wie Valsartan so ernst, dass Kunden zu ihren Ärzten zurückgeschickt werden müssten.
Aktuell ist auch Ebrantil (Urapidil) von Takeda in den Stärken 30 und 60 mg nicht lieferbar. Als der Kunde vergangene Woche mit dem Rezept in die Apotheke kam und das Antihypertensivum verlangte, schaffte es die Inhaberin, eine Packung zu 100 Stück zu organisieren. Der Kunde habe nicht erwähnt, dass er es zuvor bei einer Versandapotheke versucht hatte, sagt sie. „Mir ist es nur aufgefallen, weil ich die Verordnung umgedreht habe.“ Als sie das Rezept stempelte, sah sie auf der Rückseite die Kennzeichnung einer Versandapotheke.
Aus Protest hinterließ sie für die Kasse eine eindeutige Botschaft: „Rezept war in Versand-Apo und wer hat geholfen? Richtig! Wir vor Ort!“ Es sei wichtig, dass wahrgenommen werde, dass die stationäre Apotheke eingesprungen sei, betont sie. „Die Versandapotheken machen nur das beste Geschäft. Alles was Stress macht, bleibt an uns hängen.“
Es ist nicht das erste Rezept, das die Apothekerin mit einer individuellen Botschaft beschriftet hat. Als sie einmal ein Läusemittel nicht erhalten konnte, malte sie sogar die kleinen Tierchen auf die Verordnung. Für ihre Grüße an die Retaxstelle bekommt sie Zuspruch – von Kunden und aus dem Kollegenkreis. „Eigentlich müssten das viel mehr machen“, sagt sie. Doch viele sagten, sie trauten sich nicht, weil der Chef das nicht gern sehe.
Eine Antwort auf ihre Nachrichten hat sie von Krankenkassen bisher noch nicht erhalten. „Ich weiß gar nicht, ob die Kasse das überhaupt wahrnimmt, da sie nur einen Rezept-Scan erhalten.“ Ihre „Form des Protests“ werde sie aufrecht erhalten. „Für mich ist das sehr wichtig. Mir geht es um die Vor-Ort-Apotheken“, betont die Pharmazeutin. Wenn die Standesvertretung es nicht schaffe, Aufmerksamkeit zu erzeugen, müssten es die Apotheken selbst tun.
Die Defektenliste des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) fasst aktuell 21 Seiten. Doch das Dokument dürfte nicht vollständig sein. Es handelt sich um eine Selbstverpflichtung. Urapidil etwa ist nicht erfasst. Takeda will die 30er-Stärke ab Mitte Juli und die 60er-Stärke ab Mitte Juni wieder liefer können. Die 90er-Stärke ist erhältlich.