Streit um Hausapotheken

Arzttüte in Lieferwanne: Großhändler verprellt Apotheker

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Berlin -

Manchmal sticht man ins Wespennest, ohne es selbst zu bemerken. Der österreichische Großhändler Herba Chemosan (McKesson) hat ungewollt die Wut der Apothekerschaft auf sich gezogen, indem er ein paar Papiertüten versehentlich falsch ausgeliefert hat. Eigentlich eine Bagatelle – würden sich in der Alpenrepublik nicht gerade Apotheker und Ärzte gegenseitig an die Gurgel gehen.

Die Belegschaft einer Apotheke in Niederösterreich hat wohl nicht schlecht gestaunt, als sie ihre Großhandelsbestellung auspackte: „Zum Glück gibt es meine Hausärztin mit Hausapotheke“, stand auf einer Packung Papiertüten, die mit der Lieferung des Großhändlers Herba Chemosan gekommen war. Hausapotheken sind eine österreichische Besonderheit: Ist die nächste Apotheke mindestens sechs Kilometer entfernt, darf ein Landarzt einen Arzneimittelvorrat halten und dispensieren. Eröffnet eine öffentliche Apotheke, ist die Hausapotheke deshalb überflüssig und muss geschlossen werden – so die bisherige Regelung. Die führte in der jüngeren Vergangenheit bereits zu heftigen Streitgkeiten oder gar öffentlichen Protesten.

Derzeit herrscht in Österreich eine erbitterte Debatte zwischen der Apotheker- und der Ärzteschaft um die Institution Hausapotheke. Hintergrund ist die schlechter werdende Versorgungslage auf dem Land – die Ärzte wollen die mit mehr Hausapotheken lösen und fordern deshalb eine Liberalisierung des Systems, die öffentlichen Apotheken halten dagegen und verweisen auf die unfaire Konkurrenz durch die dispensierenden Ärzte und die gesetzliche Ordnung des Nebeneinanders von Apotheken und Ärzten. Eine Liberalisierung des Hausapothekenrechts würde demnach das Ende hunderter Apotheken in Österreich bedeuten.

Mitten in dieser Situation hat Herba Chemosan, immerhin mit weitem Abstand Marktführer unter den Großhändlern, nun durch einen kleinen Fauxpas die Wut der Apothekerschaft auf sich gezogen. In Windeseile hatte sich das eigentlich banale Ereignis im Land verbreitet, die Apotheker schnauften vor Wut. „Wir sind eine kleine Branche in einem kleinen Land, da spricht sich das sehr schnell rum“, erklärt Dr. Peter Behensky, Leiter der unbeteiligten Apotheke zum heilsamen Brunnen im niederösterreichischen Leobersdorf. Und die Wut war groß, viele Apotheker fühlen sich von „ihrem“ Großhändler im Stich gelassen. Sie beklagen, er würde sich in der politischen Debatte unnötig positionieren – und dann auch noch aufseiten der Ärzte. Andere fordern sogar dazu auf, sich zusammenzutun, den Großhändler zu konfrontieren und damit zu drohen, ihn zu wechseln.

Bei Herba Chemosan versteht man deshalb die Welt nicht mehr, vor allem wegen des eigentlich nichtigen Anlasses. Denn es handele sich mitnichten um eine politische Positionierung. „Der Hintergrund ist unglaublich banal“, erklärt ein Unternehmenssprecher. „Der Fall ist dramatisch unspektakulär, fast langweilig.“ Es habe sich nämlich lediglich um einen Kommissionier- oder Zustellfehler gehandelt – entweder wurden die Papiertüten in eine falsche Kiste geworfen oder die Kiste vom Fahrer falsch abgeliefert.

Die Papiertüten seien nämlich keineswegs neu, sondern seit gut zwei Jahren im Verkehr und eigentlich Werbematerial für Hausapotheken, das es so auch für öffentliche Apotheken gibt. Tatsächlich vertreibt die McKesson-Tochter auch Papiertüten mit der Aufschrift: „Ich vertraue meiner Apotheke vor Ort.“ Es handele sich um normale Lagerware, die in Packungen zu 50 Stück für 7,99 Euro bestellt werden könne.

„Das ist absolut keine politische Botschaft gewesen“, versichert der Sprecher mit Nachdruck. „Wir haben als Großhändler den festen Standpunkt, dass wir uns aus dieser politischen Debatte heraushalten.“ Dennoch hat der Herba Chemosan nun Konsequenzen gezogen: Die Ärztliche Wirtschaftsgesellschaft (ÄWiGe) – die Unternehmenstochter, die für die Belieferung der Hausapotheken zuständig ist – hat angekündigt, das Werbematerial für Hausapotheken künftig nicht mehr zu vertreiben, um die Gemüter nicht noch weiter anzuheizen. Wichtiger als Öl ins Feuer zu gießen, sei es, die Verständigung von Apothekern und Ärzte zu fördern. Dem stimmt Behensky zu. „Ich glaube wirklich, dass das Problem woanders liegt und dass das nun genutzt wird, um die Diskussion anzustacheln“, sagt der Apothekenleiter. „Wenn die Großhändler da Werbeslogans drauf drucken, ist das ja ihre Sache, aber statt mit solchen Slogans Emotionen zu schüren, sollten wir sehen, dass wir eine Lösung für das eigentliche Problem finden.“

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