Der Vorname und die Telefonnummer des verschreibenden Arztes gehören seit Juli auf das Rezept. Da die Ärzte vielerorts nicht vorbereitet waren, fürchteten die Apotheker Retaxationen – und wurden von den Krankenkassen mit Friedenspflichten beruhigt. Damit ist bei einingen jetzt Schluss: Die IKK Classic hat den „Retax-Verzicht“ beendet.
Die letzte Friedenspflicht hatte die Kasse im März ohne weitere Verlängerung auslaufen lassen. Man habe gegenüber dem Deutschen Apotekerverband (DAV) erklärt, dass mehr als zwölf Monate nach Verabschiedung der Neuregelung alle Ärzte die Vorgaben kennen sollten, so ein Kassensprecher. Gleichzeitig habe man betont, auch künftig partnerschaftlich und mit Augenmaß miteinander umzugehen. Noch sei kein Rezept wegen fehlenden Vornamens oder fehlender Telefonnummer retaxiert worden.
Der Verband der Ersatzkassen (VDEK) hat seine Friedenspflicht zuletzt hingegen erneut verlängert: Die Techniker Krankenkasse (TK), die Barmer-GEK, die DAK, die KKH, die HEK und die HHK wollen fehlende Vornamen und Telefonnummern bis zum 30. Juni nicht retaxieren. Die Kassen haben insgesamt 25 Millionen Versicherte.
Die übrigen IKKen haben sich gar nicht mehr auf ein Datum festgelegt: Die IKK Nord, die IKK Südwest, die IKK Brandenburg-Berlin, die BIG direkt gesund und die IKK gesund plus wollen laut IKK-Dachverband das Schiedsstellenverfahren zu Retaxationen abwarten und bis dahin nicht retaxieren. Die Knappschaft-Bahn-See (KBS) will ebenfalls zunächst den Ausgang des Schiedsverfahrens abwarten.
Auch bei den Betriebskrankenkassen (BKK) bleibt vorerst alles beim Alten: „Wir haben den Mitgliedskassen des BKK Dachverbandes empfohlen, bis zum Inkrafttreten der Regelung zu Retaxationen bei Formfehlern im Rahmenvertrag auf die Retaxierung von Verordnungen wegen fehlender Telefonnummer und/oder fehlendem oder unvollständigem Vornamen zu verzichten“, teilte eine Sprecherin mit. Der DAV sei darüber informiert. Das Problem könnte überdies bald ganz aus der Welt sein: „So wie es aussieht, wird der Gesetzgeber tätig und ändert für diesen Punkt die Arzneimittelverschreibungsverordnung“, so die BKK-Sprecherin.
Seit Juli 2015 müssen Vorname und Telefonnummer des Arztes auf jedem Rezept zu finden sein. Zwar starteten viele Kassen mit einer Friedenspflicht, doch zahlreiche Rezepte drehten eine Extrarunde. Viele Ärzte waren offenbar trotz einer Übergangsregelung nicht auf die Neuerung vorbereitet.
Nachdem der VDEK im Juli des vergangenen Jahres eine zunächst dreimonatige Friedenspflicht angekündigt hatte, zogen immer mehr Kassen nach. Darunter waren die KBS und die Schwenninger Krankenkasse. Auch im AOK-Lager soll die Rezeptprüfung „mit Augenmaß“ vorgenommen werden.
In einer Stellungnahme zur 14. Verordnung zur Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) forderte die ABDA bereits Mitte November, dass Apotheker Angaben, die ihnen bekannt sind, ohne Rücksprache ergänzen können. Damit setzte man einen Beschluss des Deutschen Apothekertages (DAT) in Düsseldorf um.
Zunächst blieben die Apotheker ungehört, doch jetzt soll ihnen doch erlaubt werden, fehlende Angaben eigenverantwortlich zu ergänzen. Mitte Mai hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) einen Entwurf zur 15. Novellierung der AMVV vorgelegt. Demnach soll es Apothekern künftig gestattet sein, eigenverantwortlich den Vornamen des verschreibenden Arztes beziehungsweise Praxis- und Telefonnummer zu ergänzen, wenn diese Angaben auf dem Rezept fehlen.
Dies gilt allerdings nur, wenn die Daten zweifelsfrei bekannt sind. Die Apotheke muss die Daten also entweder verifiziert haben oder belegen, dass ein regelmäßiger Kontakt zu der Praxis besteht, etwa durch räumliche Nähe, viele Rezepte oder Lieferung des Sprechstundenbedarfs.
Mit der Regelung soll der Apothekerschaft die Möglichkeit gegeben werden, in unkomplizierter Weise Retaxierungen durch die Krankenkassen wegen fehlerhaft ausgestellter Verschreibungen zu vermeiden. Dies gilt, „wenn die verschreibende Person es versäumt hat, diese Angaben zu vermerken, dies in der Apotheke bemerkt wurde und die fehlenden Angaben in der Apotheke nachgetragen wurden", heißt es zur Begründung.
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