Arzt-Apotheker bildet eigene Konkurrenz aus Tobias Lau, 17.10.2018 15:13 Uhr
Standortbewertung, Marketing, Betriebsmanagement – alles Themen, auf die angehende Apotheker im Studium nicht besonders intensiv vorbereitet werden. Der Flensburger Apotheker Kim Harder will gezielt Abhilfe schaffen: Zusammen mit seiner Frau Dr. Friederike Friedrich-Harder, ebenfalls Apothekerin, hat er ein zweijähriges Trainee-Programm entwickelt, das junge Absolventen auf die Selbstständigkeit vorbereiten soll.
Das Potenzial der klassischen Vor-Ort-Apotheke müsse nur erkannt und vor allem richtig eingeschätzt werden, ist Harder überzeugt. „Der Ausgangspunkt einer erfolgreichen Offizinapotheke ist die nüchterne Prüfung“, sagt der Pharmazeut. „Für jemanden, der neu anfängt und dann mit den entsprechenden Kreditverbindlichkeiten belastet ist, ist das äußerst kritisch.“ Ein bis zwei mal im Jahr würden er und seine Frau selbst Apotheken betriebswirtschaftlich auf den Zahn fühlen. „In der Regel entscheiden wir uns dann aber gegen einen Kauf“, sagt er.
Harder steht gerade selbst vor dem Sprung in die Selbstständigkeit – nicht als Apotheker, sondern als Facharzt. Medizinstudium und Facharztausbildung hat er absolviert, während er schon als Apotheker arbeitete. Bisher ist er nebenberuflich als Apotheker in den beiden Flensburger Apotheken seiner Frau angestellt, der Friedheim- und der Nikolai-Apotheke. Als wäre all das nicht schon genug, haben die beiden in den vergangenen Monaten ein Ausbildungscurriculum für ein zweijähriges Traineeship in ihrer Apotheke entwickelt – auch mit dem Gedanken an die eigene Nachfolge im Hinterkopf, wie er einräumt.
Inititalzündung sei ein Gespräch mit seinem Bruder gewesen, der ebenfalls Mediziner ist. Als junger Arzt habe der einen OP-Rufdienst gegründet, der Medizinstudenten als OP-Assistenten an Krankenhäuser vermittelt. Er hat also hinreichend Erfahrung beim Thema Personalrekrutierung. „Wir hatten uns beide gefragt, warum Offizin-Apotheker eigentlich kein so gefragter Beruf mehr ist und sind darüber ins Philosophieren gekommen“, erinnert sich Harder.
„Als ich vor 20 Jahren Pharmazie studiert habe, ging ein viel größerer Anteil der Absolventen in die öffentliche Apotheke, rund achtzig Prozent, würde ich schätzen. Heute ist es vielleicht noch die Hälfte.“ Diesem Trend hätten sie etwas entgegensetzten wollen, „bei dem sich sowohl die Interessen der jungen Kollegen als auch die der Offizin-Apotheker wiederfinden“. Dabei seien sie auf zwei wesentliche Punkte gekommen.
Erstens, die grundlegende Frage, was eigentlich wichtig ist, um sich selbstständig zu machen. „Das müssen die meisten Absolventen noch lernen. Aber dazu muss man in einer Apotheke landen, die die ganze Klaviatur bespielt und wo das Wissen auch systematisch vermittelt wird.“ Er habe sich dann mit seiner Frau zusammengesetzt und überlegt, welche Faktoren dafür wichtig sind. Zweitens habe die Frage nach dem richtigen Zeithorizont im Raum gestanden. Die zwei Jahre, auf die das Trainee-Programm ausgerichtet sind, seien das absolute Minimum. Das sei ein schmaler Grat. „Man muss da auch einen Zeitraum finden, der für junge Apotheker attraktiv ist, denn die wollen ja nicht noch ein zweites Studium dran hängen“, erklärt er. Er könne sich aber auch vorstellen, das Programm zu verlängern, sollte der Trainee es wünschen.
Er hoffe nun, durch den zeitlich überschaubaren Rahmen von zwei Jahren in Kombination mit dem Insider-Knowhow den Blick so weiten zu können, dass die Absolventen das Potential der Offizin-Apotheken erkennen. „Die Verdienstchancen sind ja nach wie vor sehr gut – unter der Prämisse überdurchschnittlicher Leistungsbereitschaft.“ Und das liege ihm nahe: „Wir haben da durchaus überdurchschnittlichen Erfolg im Auge!“
Dazu soll der angehende Inhaber, der sich von Harder und Friedrich-Harder ausbilden lässt, mit deren tatkräftiger Unterstützung das notwendige Handwerk erlernen, beispielsweise bei der Apothekenbewertung. „Es gibt da zwei Prüfpfade“, beginnt der Arzt und Apotheker auszuführen. Zuerst kämen die externen Informationen, also „die, die ich ohne Hilfe des bisherigen Inhabers sammeln kann“, beispielsweise der Standort, die Menge der Laufkundschaft oder die Ärzte in der Umgebung, kurz: die Lage. Die sei der wichtigste Erfolgsfaktor für eine Apotheke. „Ich kann die Apotheke betriebswirtschaftlich noch so gut managen, aber wenn ich nichts zu managen habe, dann wird das nie erfolgreich sein.“
Hier kommt auch Harders Berufserfahrung ins Spiel: „Wichtig ist, nicht nur die Ärzte zu zählen, sondern auch andere Faktoren zu beachten, beispielsweise wie alt sie sind.“ Wenn die meisten von ihnen in den nächsten fünf Jahren in Rente gehen, wird sich das spürbar im Umsatz spiegeln. Außerdem sei die Fachrichtung bedeutend. So sei ein HNO-Arzt aufgrund der statistischen Menge und der Arten der Verschreibungen für eine Apotheke weniger interessant als ein Hausarzt. Auch die Offizin selbst komme jedoch in Betracht: Ihre Größe, Ausstattungsqualität und das, was Harder „Repräsentanz“ nennt: „Eine großartige Lage kann auch dadurch abgewertet werden, dass man in einer Bauruine sitzt.“
Der zweite Pfad sei die interne Prüfung, also Umsatz, Rendite, Rohgewinn, Betriebskosten und dergleichen – „wobei hier die Verschwiegenheit absolut unerlässlich ist“, wie der 43-Jährige versichert. So erwäge er, den Trainee eine komplett anonymisierte Prüfung eines echten Falles vornehmen zu lassen und ihm dabei gemeinsam mit seiner Frau über die Schulter zu schauen.
Doch auch die interne Unternehmensführung gezielt zu vermitteln, soll Teil des Programms werden, beispielsweise das Reklamations- und Beschwerdemanagement. In den Apotheken seiner Frau habe beispielsweise jeder Mitarbeiter einen eigenen Kulanzrahmen, innerhalb dessen er entscheiden kann, wobei er noch einmal zwischen sachlich gerechtfertigten und sachlich ungerechtfertigten Beschwerden unterscheide. Wichtig sei dabei, auch hier das Potenzial zu sehen: „Wenn man das gut managt, ist eine Kundenbeschwerde immer auch ein guter Gesprächsanlass, aus dem heraus man die Beziehung zum Kunden stärken kann.“
Auch beim Marketing predigt Harder Professionalisierung. An der mangele es nämlich den meisten Apotheken. Es gebe im Marketingbereich „viele Verführungen, die einem angetragen werden und denen man nur schwer widerstehen kann, weil man das eben nicht betriebswirtschaftlich gelernt hat“, warnt er. Seine Frau und er hingegen würden stets versuchen, ihre Werbemaßnahmen messbar zu machen, um deren Effektivität zu beurteilen, beispielsweise mit Rückläufer-Coupons. Dabei könne die kleine Vor-Ort-Apotheke durchaus auch von großen Konzernen wie Ikea lernen. Allgemein gelte, dass man dafür aber auch etwas Geld in die Hand nehmen muss. „Die Durchschnittsapotheke gibt rund 1 Prozent des Umsatzes für Marketing aus, das ist unserer Meinung nach zu wenig“, sagt er.
Eigentlich soll das Traineeship innerhalb des Hauses erfolgen, doch auch externe Fortbildungen könnten ein Teil sein, denn die finanziere er seinen Mitarbeitern ohnehin, wenn die fachlichen Voraussetzungen gegeben sind. Vergeben ist die Stelle noch nicht, da sie erst vor wenigen Wochen ausgeschrieben wurde. Auch deshalb will Harder noch nicht allzu viel über die genauen Inhalte der Ausbildung verraten – der Trainee soll schließlich noch die Möglichkeit haben, seine Ausbildung selbst zu beeinflussen.