SPON-Apothekerin

Arzneitest mit Pendel

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Berlin -

Apotheker werden für Spiegel Online normalerweise skeptisch beäugt, Fehltritte in der Branche skandalisiert und die Lobby verteufelt. Umso erstaunlicher, dass jetzt eine Apothekerin zu Wort kommt und ausführlich aus ihrem Alltag berichten darf. In „Mein Leben als Apothekerin“ erzählt sie vom Dr.-Google-Wahnsinn und dem Befragen eines Pendels. Und klagen darf sie auch.

Die Apothekerin berichtet in dem anonymen Protokoll etwa aus ihrer Zeit an der Uni: „Studentenpartys und entspannte Stunden im Café kenne ich nur vom Hörensagen.“ Sie wäre ansonsten vermutlich auch die einzige Pharmaziestudentin, die nicht über den vollen Stundenplan klagen würde. Dabei sind Pharmaziestudenten durchaus für bunte Abende und fröhliche Partys bekannt.

Auch mit dem Gehalt ist die Interviewte nicht zufrieden: „Eine Berufsanfängerin erhält knapp 3300 Euro brutto, ab dem elften Berufsjahr sind 4000 Euro vorgesehen.“ Das sind zumindest die Zahlen im Gehaltstarifvertrag. Zum Glück setzt die Apothekerin nach: „Geld ist mir nicht so wichtig. Ich habe meinen Beruf gewählt, weil ich Menschen helfen möchte – auch wenn das abgedroschen klingt. Deshalb hat mich auch ein Job in der Pharmaindustrie nie gereizt.“

Das Studium war nicht nur knochenhart, sondern offenbar auch mangelhaft und zu theorielastig. „Ich fühlte mich dadurch nicht gut auf den Alltag vorbereitet. Fachwissen ist zwar wichtig – aber mir hat niemand beigebracht, wie ich die komplexen Wirkungen der Medikamente so erkläre, dass alle Patienten sie verstehen.“

Die Apothekerin berichtet auch von dem ganz normalen Wahnsinn im Nachtdienst: „Bis zu zweimal pro Monat mache ich Notdienst, liege auf einer Klappliege und versuche zu schlafen. Überall summt es, und plötzlich klingelt die Glocke, nachts um drei Uhr. Wenn dann jemand einen Schwangerschaftstest verlangt oder ein abgelaufenes Rezept vorlegt, muss ich erst tief durchatmen.“

Zum Glück hat das Apothekerdasein auch durchaus seine amüsanten Seiten: „Manchmal muss ich auch schmunzeln. Einmal prüfte eine Frau tatsächlich mit einem Pendel, ob die Arznei gut für sie ist. Ich hatte Glück, das Pendel und ich waren einer Meinung.“

Auch das Erlebnis mit einem Kunden, der Viagra verlangte, es aber nicht bekam, lässt sich unter der Rubrik „Humor“ ablegen: „Als ich einem Mann Viagra verweigerte, wurde er laut und meinte, ich würde ihm seinen Spaß nicht gönnen.“ Wo doch die Patienten nichts unversucht lassen, um die Apotheker zum Lachen zu bringen! Wenig lieben Pharmazeuten mehr, als Kunden, die in der Offizin stehen und schon genau wissen, was ihnen fehlt, weil sie es gegoogelt haben und Dr. Google niemals irrt.

Die anonyme Apothekerin in SPON: „Am schlimmsten sind Patienten, die mit Empfehlungen von Dr. Google kommen und sich nach intensiver Internetrecherche schwer krank fühlen – trotz eher harmloser Beschwerden. Sie misstrauen mir als Expertin. Das macht eine Beratung ziemlich mühsam.“

Trotz allem, und das liest man gern, sagt die Apothekerin, dass sie sich keinen schöneren Beruf vorstellen kann. „Einfach kommentarlos Arzneimittel zu verkaufen geht für mich gar nicht“, erzählt die Expertin, „deshalb frage ich nach: Hat der hustende Kunde eine Erkältung oder könnte es etwas anderes sein? Steckt hinter den Beinschmerzen ein Wadenkrampf, eine Zerrung oder gibt es Anzeichen für eine Thrombose?“

Was sie an ihrem Beruf mag: „Morgens weiß ich nie, was mich am Tag erwartet: Der eine braucht ein Kopfschmerzmittel, der nächste hat eine Erkältung, wieder ein anderer hat ein Asthmaspray verordnet bekommen, weiß aber nicht, wie er es anwenden soll.“ Da würden die meisten Apotheker sagen: C‘est la vie!

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