Klinikapotheker kontrollieren Arztverordnungen Maria Hendrischke, 16.09.2016 12:48 Uhr
In den Hamburger Asklepios Klinken prüfen Apotheker die Verschreibungen der Ärzte. Auf diese Weise sollen unerwünschte Neben- und Wechselwirkungen reduziert werden. Das Konzept der „Patientenorientierten Arzneimittel-Versorgung“ (PAV) ist laut Konzern ein Erfolg. Ein Konkurrenzdenken zwischen den Heilberufen gebe es nicht.
In sechs der sieben Asklepios-Kliniken in Hamburg überprüfen insgesamt etwa 20 Apotheker die Verordnungen der Ärzte. Wenn nötig, passen sie Dosierungen an oder wählen bessere Präparate aus. Täglich kontrollieren die Apotheker Verordnungen von bis zu 3500 Patienten. Besonders wichtig sei diese Leistung für Patienten mit einer Nieren- oder Lebererkrankung, die Medikamente im Körper anders abbauen, erklärt der medizinische Sprecher der Kliniken, Dr. Franz Jürgen Schell.
Für die beteiligten Berufsgruppen – Ärzte und Apotheker – sei die Überprüfung eine „kollegiale Sache“, sagt Schell. Kontrolliert fühlten sich die Mediziner nicht. „Stattdessen gibt es den Ärzten bei ihren Verschreibungen mehr Sicherheit.“
Bereits in den 1990er Jahren gab es erste Vorläufer dieser Kontrollen; vor gut zwei Jahren wurde das PAV-Konzept weiter ausgebaut. Denn interne Studien hätten gezeigt, wie relevant die Arbeit der Klinikapotheker sei, sagt Schell. Die Erhebung hat ergeben, dass zwischen 15 und 20 Prozent der ärztlichen Anordnungen nach der Überprüfung durch den Apotheker hinterfragt oder in Abstimmung mit den Ärzten angepasst oder verändert wurden.
Neben der Überprüfung sind die Apotheker beim digitalen Prozess der Verordnung beteiligt: Mithilfe einer Software können sie Veränderungen der Medikation überblicken. Sie können mit dem Arzt Rücksprache halten, wenn beispielsweise die Dosis eines Arzneimittels neu auf den Patienten und seine Erkrankung abgestimmt werden muss. Zudem produziert die Apotheke der Hamburger Asklepios-Kliniken im Rahmen des PAV-Konzepts individuelle Blister für alle Patienten. Täglich sind das nach Informationen der Kliniken etwa 25.000; über das Jahr kommen mehr als sechs Millionen zusammen.
Die Unterstützung der Ärzte durch zur Klinik gehörende Apotheker – ein sogenannter klinisch-pharmazeutischer Dienst – ist in Deutschland bislang noch selten. „Dabei ist die Idee, dass Apotheker die ärztlichen Verordnungen unter pharmakologischen Aspekten nochmals prüfen, eigentlich naheliegend“, so Schell. Von den Asklepios-Kliniken aus soll PAV-Programm daher auf Krankenhäuser anderer Regionen ausgedehnt werden. In die Arzneimittelsicherheit der Hamburger Kliniken hat Asklepios in den vergangenen Jahren eine Million Euro investiert.
Internationalen Erhebungen verdeutlichen die Gefahren von unpassenden Verordnungen. So stellte eine US-Studie fest, dass jährlich 6,7 Prozent aller Klinikpatienten von unerwünschten Arzneimittelreaktionen betroffen waren. 0,32 Prozent verstarben sogar daran. In Großbritannien erfolgen 6,5 Prozent aller Krankenhauseinweisungen wegen unerwünschter Arzneimittelwirkungen. In einer deutschen Untersuchung waren 2,4 Prozent aller Krankenhauseinweisungen durch unerwünschte Arzneimittelwirkungen bedingt. Die Kosten von daraus folgenden stationären Behandlungen beliefen sich auf etwa 400 Millionen Euro.