Krankenhausversorgung

Arzneimitteldepots statt Apotheke vor Ort Janina Rauers, 09.06.2011 12:53 Uhr

Berlin - 

Seit 2005 müssen Apotheken, die Krankenhäuser beliefern, nicht mehr im selben Kreis ansässig sein, sondern eine „unverzügliche und bedarfsgerechte“ Belieferung garantieren. Inwiefern dies offenbar auch aus größerer Distanz möglich ist, ist derzeit unter Behörden und Juristen umstritten. Denn weder das Apothekengesetz noch ein entsprechendes Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2008 machen dazu nähere Angaben. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster kommt in seinem Urteil zur Versorgung einer Bremer Klinik durch eine Apotheke in Ahlen bei Münster zu dem Schluss, dass eine räumliche Nähe nicht der ausschlaggebende Faktor für die unverzügliche Belieferung ist.

Stattdessen müsse im Einzelfall geprüft werden, ob der Apotheker eine ausreichende Versorgung und eine hinreichende Beratung des Personals gewährleisten könne. Dabei könne die Distanz zwischen Apotheke und Krankenhaus eine Rolle spielen, grundsätzlich müssten aber alle relevanten Umstände, Konditionen und Verhältnisse berücksichtigt werden, heißt es in der jetzt vorliegenden Begründung des Urteils.

Das Bremer Krankenhaus soll laut Vereinbarung dreimal wöchentlich beliefert werden, die Vorräte sollen für rund zwei Wochen reichen. Zusätzlich sind Notfalldepots für die Intensivstation für selten gebrauchte lebensnotwendige Arzneimittel vorgesehen. Ärzte hätten so bei Bedarf sofort Zugang zu den Präparaten, eine optimale Versorgung sei so gesichert, so die Richter. Bei Krebspatienten bestehe regelmäßig keine akute Lebensgefahr, Arzneimittel würden nicht zwingend innerhalb von Sekunden oder Minuten benötigt. Zytostatika sollen laut Versorgungsvertrag bei Bestellung bis zum Mittag am darauffolgenden Tag geliefert werden, notfalls zusätzlich per Taxi.


Der Apotheker muss laut Urteil auch nicht körperlich anwesend sein, um die Mitarbeiter persönlich zu beraten. Wichtig sei vielmehr, dass der Pharmazeut dies „selbst in eigener Verantwortung“ durchführe. Die telefonische oder elektronische Beratung finden die Richter sogar besser und effektiver, weil der Apotheker zunächst an seinem Arbeitsplatz recherchieren könne. Auch der wöchentliche Besuch im Krankenhaus sichere die regelmäßige bedarfsgerechte Beratung.

Die Richter setzen auch auf die Eigenverantwortung der Vertragspartner: Es sei nicht davon auszugehen, dass das Krankenhaus „sehenden Auges“ einen Vertrag schließe, bei dem wegen der Entfernung von vornherein mit Versorgungsmängeln zu rechnen sei. Bei der Apotheke könne im konkreten Fall aufgrund der Zusammenarbeit mit zahlreichen anderen Krankenhäusern ein „entsprechendes Know-How in der Arzneimittelbelieferung und -ausstattung eines Krankenhauses unterstellt werden“.

Das OVG hatte im Mai entschieden, dass der Vertrag zwischen der Apotheke des Münsteraner St. Franziskus-Hospitals und einem 215 Kilometer entfernten Bremer Krankenhaus rechtens ist. Beide Einrichtungen gehören zur St. Franziskus Stiftung; die Apotheke versorgt derzeit rund 20 Krankenhäuser, darunter mehrere des Stiftungsverbands.