Arzneimittelsicherheit

Homepage für Apotheker-Fehler

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Berlin -

Aus Fehlern lernen – in der Luftfahrt ist diese Devise schon lange angekommen. Und auch Ärzte können inzwischen Fehler oder Beinahe-Fehler anonym melden und auf diese Weise ihre Kollegen warnen. Ein ähnliches Berichtssystem haben nun auch die Apothekerkammern Nordrhein und Westfalen-Lippe eingeführt. Auf einer Webseite können Apotheker so typische Fallstricke und Gefahrensituationen nachvollziehen.

Das Konzept heißt CIRS, das steht für „Critical Incident Reporting-System“. Solche Berichtsysteme gab es zuerst in Branchen, bei denen schon kleine Fehler verheerende Folgen haben, wie etwa in der Atomindustrie. Auch für Ärzte gibt es solche Plattformen schon länger: „CIRS Medical“ wird vom Ärztlichen Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ) betrieben, einem gemeinsamen Institut der Bundesärztekammer (BÄK) und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV).

Dieses System hat sich das Apothekerprojekt „CIRS Pharmazie“ zum Vorbild genommen. „So etwas gab es nicht für Apotheker“, sagt Initiator Dr. Oliver Schwalbe von der Apothekerkammer Westfalen-Lippe (AKWL). Er leitet dort die Abteilung Aus- und Fortbildung und Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS). Zusammen mit der Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) wurde ein eigenes System aufgestellt, das über www.cirs-pharmazie-nrw.cirsmedical.de erreicht werden kann.

Das Portal ist technisch an CIRS Medical angeschlossen, betrieben wird es von insgesamt drei Mitarbeitern der AKNR und der AKWL. Schwalbe und seine Kollegin Annabelle Heiming und Carina John von der AKNR kommentieren die Berichte pharmazeutisch und sorgen dafür, dass die Anonymität gewahrt bleibt. Jeder Bericht wird von ihnen gelesen, bearbeitet und erst dann freigegeben. „Es gibt Grundregeln für die Bearbeitung: Namen und Orte werden auf jeden Fall herausgenommen, aber auch alle anderen Hinweise, die einen Rückschluss erlauben würden, etwa Verweise auf Uhrzeiten oder bestimmte Abteilungen“, erklärt John. Konsequenzen fürchten muss also niemand, der mutig genug ist, einen Fehler einzugestehen.

Das Team entfernt auch Beleidigungen oder nicht zielführende Vorwürfe aus den Berichten. Anonyme Anschuldigungen, die die Kammer über das System erreichten, würden nicht verfolgt, so Schwalbe. Dafür müssten sich Kunden oder Mitarbeiter bei der Kammer melden und mit ihrem Namen hinter der Beschwerde stehen. Das CIRS-System soll ein rechtsverfolgungsfreier Raum sein.

Die Apothekerkammern haben sich für ein offenes System entschieden. Jeder kann – ohne Anmeldung – einen Fehler oder Beinahe-Fehler melden, berichtete Fälle lesen und kommentieren. „Auf diese Weise soll der offene Umgang mit Fehlern gefördert und die Bereitschaft, Fehler zu melden, erhöht werden“, erklärt John. „Eine Anmeldung mit Passwort wäre eine Schwelle. Das Projekt soll aber möglichst niedrigschwellig sein.“

Schwalbe hält es grundsätzlich für sinnvoll, mit einem eigenen Portal für die Zielgruppe Apotheker zu starten: „Das soll aber natürlich nicht davon abhalten, zusammenzuarbeiten und auch voneinander zu lernen.“ Auch John betont: „Schön wäre es, wenn die Systeme irgendwann vereinheitlicht würden – das würde es den Nutzern leichter machen. Aber es ist gut, jetzt schon mal anzufangen.“ Besonders relevante Fehler sollen künftig in Kammerrundschreiben publiziert und besprochen werden.

Bislang sind drei Fälle auf dem Portal gemeldet. Ein Patient beispielsweise verlangte in der Erkältungszeit „etwas gegen Husten“ und erhielt einen Hustenlöser. Doch der Husten wurde nicht besser und einige Zeit später suchte der Patient den Hausarzt auf und erhielt eine Verordnung über einen Protonenpumpen-Inhibitor (PPI) zur Behandlung einer gastrointestinalen Refluxkrankheit (GERD). In der Beratung hatte der Apotheker zu schnell auf einen erkältungsbedingten, akuten Husten geschlossen.

„Hier sind auch die Grenzen der Selbstmedikation zu beachten“, rät das CIRS-Team. Bei Symptomen wie etwa Schmerzen beim Atmen oder Husten oder auch bei einem lang anhaltenden trockenen Reizhusten sei ein Arztbesuch zu empfehlen. Auch der berichtende Apotheker hatte festgestellt, dass er besser zwischen akutem und chronischem Husten hätte unterscheiden und andere Ursachen als eine Erkältung auf dem Schirm haben müsse.

In einem anderen Fall hatte ein Arzt 100 mg Torasemid verschrieben. In der Apotheke fiel auf, dass der Patient sonst nur 10 mg erhalten hatte. Der Apotheker rief in der Praxis an und der Patient erhielt ein neues Rezept. Die Überdosierung konnte so verhindert werden. „In der Apotheke ist es wichtig, dass wir bei der Abgabe von Arzneimitteln, die in einem breiten Dosierungsspektrum verfügbar sind, besonders sensibilisiert sind“, empfiehlt dass CIRS-Team. „Es gilt der Leitsatz: Habe Zweifel und überprüfe genau!“

„Beinahe-Medikationsfehler schädigen den Patienten wegen der noch rechtzeitigen Entdeckung nicht, können jedoch zur Entwicklung von Lösungsansätzen beitragen“, so AKWL-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening. Und ihr Kollege AKNR-Präsident Lutz Engelen ergänzt: „Der Umgang mit Fehlern ist in vielen Apotheken bereits Teil des Qualitätsmanagementsystems.“ Das CIRS-System baue damit auf vorhandene Strukturen auf. Die Kammerpräsidenten setzen darauf, dass konkrete Beispiele Bewusstsein schaffen – nach der Devise: „Das könnte genauso auch bei uns passieren.“

Diesen Weg gehen auch andere Leistungserbringer: Auf www.jeder-fehler-zaehlt.de können Fehler aus Hausarztpraxen gemeldet werden. Nicht nur Allgemeinärzte und medizinische Fachangestellte, sondern alle Interessierten können dem Portal anonym Fehlerberichte zusenden oder Meldungen kommentieren. Vor fünf Jahren hatte die Apothekerkammer Berlin ihre Mitglieder dazu aufgerufen, Fehler an das System zu melden. Insgesamt gibt es auch rund 100 Hinweise von oder über Apotheken. Betrieben wird die Webseite von einem Team der Goethe-Universität in Frankfurt.

Für Zahnärzte gibt es seit der vergangenen Woche das System „CIRS dent – Jeder Zahn zählt“, das von den deutschen Zahnärztekammern und der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) betrieben wird. Anders als die anderen Berufe bleiben die Zahnärzte unter sich: Nur angemeldete Nutzer können Fälle berichten, nachlesen und kommentieren. Die Zahnärzte wurden mit einem Schreiben über das Projekt informiert und erhielten einen Registrierungsschlüssel, mit dem sie sich auf dem Portal anmelden konnten.

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