Kopftuch und Kittel Deniz Cicek-Görkem, 22.03.2017 10:20 Uhr
Arbeitgeber dürfen das Tragen von Kopftüchern unter bestimmten Umständen verbieten. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden. Auch Apothekeninhaber können sich auf das Urteil berufen. Eine Pharmazeutin aus Niedersachsen kritisiert das Urteil: Fachwissen und Persönlichkeit sind aus ihrer Sicht wichtiger als Äußerlichkeiten.
Emani Ben Romdhane ist seit 2012 die Inhaberin der Sonnen-Apotheke in Salzgitter und trägt seit 14 Jahren ein Kopftuch. Sie hat bislang keine schlechten Erfahrungen gemacht, weder in der Schule noch im Studium oder im Berufsleben: Weder in der Krankenhausapotheke noch in den öffentlichen Apotheken, in denen sie gearbeitet hat, war ihr Äußeres ein Problem.
Dennoch weiß sie, dass es immer wieder Arbeitgeber gibt, die die Kopfbedeckung am Arbeitsplatz problematisieren. Für Ben Romdhane ist es unverständlich, dass Einschränkungen nun vom EuGH für zulässig erklärt wurden. Denn ihrer Meinung nach haben Fachkompetenz und Menschlichkeit eine höhere Priorität.
Die Apothekerin beschäftigt derzeit acht Mitarbeiter unterschiedlicher Kulturen, davon tragen vier ein Kopftuch. Probleme mit den Kunden habe es noch nicht gegeben. Auch störe das Kopftuch im Arbeitsalltag nicht. Äußerlichkeiten sollten keine Rolle spielen, findet die Apothekerin, allein auf die Fähigkeiten und das Wissen komme es an. Sie würde auch qualifizierte Bewerber mit Tattoos einstellen – bislang wurde sie damit jedoch nicht konfrontiert.
Die Pharmazeutin mit tunesischen Wurzeln findet, dass die Medien Angst schnüren: „Frauen mit Kopftuch finden keine Ausbildung, bekommen keinen guten Job. Sie sollten erst gar nicht studieren.“ So werde ein falsches Bild an die Gesellschaft transportiert. „Den Frauen wird viel zu früh der Mut abgenommen“, bedauert Ben Romdhane. Sie sollten selbstbewusster in die Öffentlichkeit treten und ihre Persönlichkeit kommunizieren.
Aber es gebe auch Gutes zu berichten: Ein Beispiel sei ihr Kollege Jens Beuth – ein „guter Arbeitgeber“, der nach einer Kundenbeschwerde hinter seiner Mitarbeiterin mit Kopftuch stand und sie verteidigt hatte. Ben Romdhane findet es äußerst positiv, dass sich Nichtmuslime für die Interessen von Muslimen stark machen. Sie wünscht sich, dass die Medien solche Fälle nicht nur am Rande erwähnen.
Multilingualität im Team ermögliche eine bessere pharmazeutische Betreuung: Kunden verschiedener Nationalitäten könne man in der Muttersprache besser helfen. Die Sonnen-Apotheke trete mit dem Selbstverständnis auf, ein Querschnitt der Gesellschaft zu sein. „Je gemischter das Team, desto besser“, so die 31-Jährige. Frauen mit Kopftuch will sie die Angst nehmen, denn es gebe auch Arbeitgeber, die dem Tuch keine Relevanz beimessen und Wert auf Persönlichkeit legen.