Fachkräftemangel

Arbeitsamt: Auf Apothekersuche im Ausland

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Berlin -

Überall werden Apotheker gesucht, als Angestellte genauso wie als zukünftige Inhaber. Gleichzeitig warten Pharmazeuten darauf, endlich eine Stelle zu bekommen. Ihre einzige Schwäche: Sie müssen ihr Deutsch noch aufpolieren. Denn das Arbeitsamt hat sie nach Deutschland geholt, sie kommen aus Spanien, Portugal und Italien. Seit 2016 führt die Behörde ein Programm zur Rekrutierung ausländischer Apotheker für den deutschen Markt durch. Und die Nachfrage wächst.

Über ein Dutzend Apotheker sind derzeit in der Warteschlange für einen Praktikumsplatz, allesamt aus Südeuropa. Denn während hierzulande vor allem auf dem Land Fachkräftemangel herrscht, wird beispielsweise in Italien über Bedarf ausgebildet – viele junge Pharmazeuten sind hochqualifiziert, aber arbeitslos. Und die, die eine Stelle haben, arbeiten oft unter prekären Bedingungen. Was Unternehmer wie der Leipziger Mohammed Behairy bereits als Erwerbsmodell für sich entdeckt haben, betreibt auch der Staat mittlerweile hoch offiziell. So bietet die Bundesagentur für Arbeit seit 2011 die sogenannte Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV).

„Wir sind sozusagen der internationale Arm der Bundesagentur für Arbeit“, erklärt ein ZAV-Sprecher. Allein 2018 habe die Behörde so über 2200 Fachkräfte aus dem Ausland zu einer ausbildungsadäquaten Tätigkeit in Deutschland verholfen. „Das bedeutet ein Plus von knapp 30 Prozent gegenüber den Ergebnissen von 2017“, so Manfred Jäger, Vorsitzender der Geschäftsführung der ZAV.

Die Aufgabe: Im Ausland Fachkräfte finden und nach Deutschland bringen – möglichst ohne dabei Experten abzuwerben, die eigentlich in ihren Heimatländern gebraucht werden. Deshalb legt die ZAV großen Wert darauf, sich mit den entsprechenden Behörden vor Ort zu koordinieren. So sei auch die Kooperation mit Italien auf Anfrage von dort zustande gekommen. „2016 sind unsere Kollegen von der italienischen Arbeitsverwaltung in Mailand an uns herangetreten und haben uns darauf hingewiesen, dass es in ihrem Einzugsgebiet sehr viele Apotheker gibt, die auf Arbeitssuche sind.“ So wurde eine Auftaktveranstaltung in Mailand auf die Beine gestellt, bei der das Bewerberfeld sondiert wurde. „Es gab da ein sehr großes Interesse, aber es hat sich auch gezeigt, dass die meisten kein Deutsch können“, erklärt der Sprecher. „Das war der größte Hemmschuh.“ Doch für die Anerkennung der Approbation aus dem Ausland müssen Pharmazeuten mindestens das Sprachniveau C1 nach dem europäischen Referenzrahmen nachweisen können – das zweithöchste. Also stellte die ZAV Sprachkurse auf die Beine.

Der Plan sieht vor, dass die Apotheker sich selbstständig an die ZAV wenden und in ihrem Heimatland Deutschkurse absolvieren. Bevor sie in den Sprachkurs gehen, ist aber meist einiges an Beratung nötig. „Viele, die zu uns kommen, hatten vorher noch gar keine Berührungspunkte zu Deutschland“, so der ZAV-Sprecher. „Da müssen wir oft noch ein paar Zähne ziehen.“ So gebe es oft Missverständnisse beim Einkommen, da viele Bewerber vom zu erwartenden Bruttogehalt beeindruckt seien, aber nicht einberechnen, dass die Steuerbelastung, Lebenshaltungs- und Mietkosten vor allem in Ballungsgebieten höher als in ihrem Herkunftsland sind. „Viele wollen auch unbedingt nach Berlin, Hamburg oder München – denen erklären wir dann, dass Deutschland sehr dezentral aufgebaut ist und man auch woanders gut leben kann.“

Und dann sei da noch der Motivationsaspekt. „Viele, vor allem aus den südlichen EU-Staaten, wollen eigentlich gar nicht von zuhause weg. Ihnen geht es eher darum, sich eine wirtschaftliche Existenz aufzubauen, die sie zuhause nicht haben.“ Bei diesen Bewerbern sei die „Migrationsmotivation“ nicht von Anfang an gegeben – „entsprechend wenig haben sie sich meist bereits im Vorfeld mit dem Zielland auseinandergesetzt.“ Dass sich andere wiederum sehr schwer mit der Entscheidung tun und viel Beratungsaufwand nötig ist, sei hingegen absolut verständlich. „Das sind immerhin Lebensentscheidungen, die da getroffen werden. Das entscheidet man nicht einfach mal so.“

Ist sich der Apotheker dann aber absolut sicher, muss er noch in Vorkasse für den Sprachkurs gehen. Erst wenn Sprachniveau B2 bestanden ist, kann er über die ZAV an eine deutsche Apotheke vermittelt werden – die dann die Kosten für den Kurs refinanziert. Je nach Ausbildungsbedarf koste das den Betrieb ungefähr 5000 Euro. Dafür sei die Vermittlungsleistung umsonst. Steht es finanziell nicht ganz so eng, können sich Apotheker aber auch auf eigene Faust aktiver an der Fachkräfterekrutierung beteiligen. Es besteht nämlich die Möglichkeit, in Absprache mit der ZAV direkt vor Ort selbst zu rekrutieren.

Denn ZAV-Beamte fahren mehrfach jährlich selbst auf sogenannte Rekrutierungsreisen. Dort führen sie dann offene oder geschlossene Veranstaltungen durch: Entweder Infoveranstaltungen, zu denen Interessenten selbst kommen oder solche, bei denen sie im Vorfeld den Partneragenturen Anforderungsprofile zukommen lassen. Die Partneragenturen laden die Bewerber dann selbstständig ein. „Da fahren wir dann manchmal auch zusammen mit unserem Kooperationspartner, der Apothekenkooperation Migasa, hin und führen Gespräche vor Ort.“ So können Apotheker und potentieller Angestellter sich bereits kennenlernen – persönlich miteinander auszukommen ist immerhin eine wichtige Voraussetzung. „Es ist aber nicht so, dass da vor Ort gleich Arbeitsverträge unterschrieben werden.“

Denn zuvor kommt das sechs- bis achtmonatige Praktikum. Dabei sollen die Teilnehmer durch ihre Mitarbeit den Arbeitsalltag in deutschen Apotheken kennenlernen und dabei in der Praxis ihre Fachsprachenkenntnisse erproben und verbessern. Die Fachsprachenprüfung zur Anerkennung der Approbation steht auch noch an und ist alles andere als leicht. Rund 1000 Euro sollen die Apotheker ihren Praktikanten laut Arbeitsagentur monatlich zahlen. „Außerdem empfiehlt es sich, ihnen bei der Wohnungssuche zu helfen oder eine Unterkunft zu stellen, bei Behördengängen und sonstigen organisatorischen Belangen zu helfen sowie einen weiterführenden praktikumsbegleitenden Sprachkurs zu ermöglichen“, schreibt die ZAV.

Wie viele Apotheker die ZAV seit 2016 schon vermittelt hat, kann sie laut eigenen Angaben nicht sagen, da ihre Statistik nur den allgemeinen Bereich Gesundheitsberufe erfasse. „Dieses Jahr haben aber schon zwölf Apotheker über unsere Vermittlungsaktivitäten bei Apotheken in Deutschland angefangen, so dass wir, wenn wir einmal vorsichtig hoch rechnen, von einer steigenden Tendenz ausgehen können“, so der ZAV-Sprecher. Eine Ausweitung des Projekts auf andere Länder sei derzeit nicht akut geplant, „das kann sich aber auch kurz- oder mittelfristig ändern“. Man könne sich aber auch bewerben und beraten lassen, wenn man nicht aus den drei teilnehmenden Ländern kommt: „Wir schlagen niemandem die Tür vor der Nase zu.“

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