Apothekerpreise: Arzt entschuldigt sich Deniz Cicek-Görkem, 29.03.2017 08:16 Uhr
Cannabis spielt auch drei Wochen nach der Freigabe in den Apotheken keine große Rolle. Umso schwerwiegender waren die Vorwürfe eines Arztes, der den Pharmazeuten Profitgier vorwarf. Dr. Franjo Grotenhermen entschuldigt sich jetzt im Newsletter der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (ACM) für seine vorschnellen Schlüsse.
Grotenhermen hatte in seinem Newsletter vor zwei Wochen moniert, dass Cannabisblüten als Rezepturarzneimittel eingestuft werden und damit deutlich teurer geworden sind. Er warf den Apothekern vor, „möglichst viel bei diesem Geschäft zulasten der oft nicht reichen Patienten und der Krankenkassen in die eigenen Taschen zu wirtschaften“.
Seine Verärgerung kam nicht von ungefähr: Im Gesetzentwurf habe es geheißen: „Auswirkungen auf die Einzelpreise und das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.“ Dies habe er geglaubt und auch gegenüber seinen eigenen Patienten immer wieder versichert, so der Arzt.
Dass er gegen die Apotheken geschossen habe, sei falsch gewesen, räumt Grotenhermen jetzt ein: „Den meisten Apothekern tut es weh, von ihren Patienten nun höhere Preise nehmen zu müssen. Sie wollen fertig abgepackte Cannabisblüten nicht als Rezepturarzneimittel behandeln, die Dosen öffnen, den Inhalt überprüfen, etc. Das ist viel zu viel Arbeit, und es ist überflüssige Arbeit, denn was sollte in diesen Dosen anderes sein als Cannabisblüten. Ich habe verstanden, dass die engagierten Apotheker unsere Verbündeten sind.“
Das ändere aber an der Situation nichts: Patienten mit einer Ausnahmeerlaubnis fänden wegen der hohen Kosten keinen Arzt , der sie bei der Kostenübernahme unterstütze. Er bekomme derzeit vermehrt Schreiben wie dieses: „Ich war gestern in der Apotheke und war erschrocken, was nun eine Dose Bedrocan kostet. 122 Euro statt 71 Euro. Meine Ausnahmegenehmigung gilt noch drei Monate, aber wenn man den Preis betrachtet, nicht mehr zu den gleichen Bedingungen. Bin immer noch auf der Suche nach einem Arzt.“
Für Grotenhermen ist klar: „Die Patienten wollen nicht, dass die Dosen geöffnet werden, weil sie dadurch teurer werden. Die Ärzte wollen nicht, dass die Dosen geöffnet werden, weil die Blüten dann ihr Arzneimittelbudget stärker belasten. Und die Apotheker wollen die Dosen ebenfalls nicht öffnen, weil dies mit unsinniger, überflüssiger und unterbezahlter Arbeit verbunden ist.“
Wer ein Interesse an der drastischen Preisänderung habe, könne er nicht beantworten. Das Thema sei viel zu spät öffentlich geworden. „Ich denke, dass auch die Anhörung im Gesundheitsausschuss im September 2016 zum Gesetz anders verlaufen wäre, wenn diese Preisentwicklung bereits allgemein bekannt gewesen wäre.“
Grotenhermen fordert, dass das Gesetz nachgebessert wird. „Ich werde mich dafür mit aller Kraft einsetzen.“ Er habe in den vergangenen zwei Wochen Kontakt mit den Fachpolitikern im Bundestag aufgenommen und bereits einige Gespräche geführt.
Falls sich die aktuelle Preissituation zugunsten der Patienten nicht ändere, seien Eigenanbau von Cannabis oder auch der individuelle Import aus den Niederlanden wieder mögliche Optionen. Denn in einer niederländischen Apotheke könne man 5 g Cannabisblüten für nur 30 bis 40 Euro bekommen. „Niederländische Apotheken akzeptieren Rezepte von deutschen Ärzten, Cannabisblüten dürfen jedoch nicht von Patienten nach Deutschland importiert werden“, so der Mediziner.
Solange sucht er Apotheken, die Cannabisblüten weiterhin zu „normalen Preisen“ anbieten, also für 60 bis 70 Euro. „Es gibt diese Apotheken, und sie sind der ACM bekannt.“ Mitglieder des Vereins können eine entsprechende Liste anfordern.