Apothekerin zieht Arzt hinterher Eugenie Ankowitsch, 12.08.2018 10:41 Uhr
Nur kurz bevor Alexandra Jäger ihre Apotheke am Königsstuhl in Rhens renovieren wollte, kündigte der Hausarzt gegenüber an, umziehen zu wollen. Kurzerhand blies die Apothekerin die Umbaupläne für ihren alten Standort ab und zog mit der gesamten Apotheke hinterher.
Im Oktober 2015 hat Jäger die Apotheke am Königsstuhl von ihren Vorgängern übernommen. Das Apotheker-Ehepaar hörte altersbedingt auf und bot ihr Lebenswerk der jungen Frau an, die nur zwei Jahre zuvor ihre Approbation erhalten hat. Zu dem Zeitpunkt arbeitete die in Rhens geborene Apothekerin in einer öffentlichen Apotheke in Bonn und dachte nicht einmal im Traum daran, je wieder in ihrem Heimatort zu leben. „Ich habe nach dem Studium eigentlich kategorisch ausgeschlossen, in die Heimat zurückzukehren“, schmunzelt sie heute. Das Angebot des älteren Paares nahm sie jedenfalls letztendlich doch an.
Von Anfang an sei klar gewesen, dass die alte Apotheke früher oder später umgebaut werden muss. Eher früher. Denn es gab beispielsweise keinen separaten Beratungsraum. Auch war die Apotheke weit davon entfernt, barrierefrei zu sein. Die Kunden mussten zwei Stufen überwinden, um in die Offizin zu gelangen. „Eine Rampe war leider auch nicht umsetzbar“, erläutert Markus Jäger. Der Apotheker arbeitet zwar als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Bonn, unterstützt seine Frau allerdings, wann immer es geht, in der Apotheke. „Spätestens bei der nächsten Revision wäre uns das auf die Füße gefallen“, ist er überzeugt. Auch optisch war der alte Standort alles andere als ansehnlich. Die Einrichtung stammte laut Jäger aus der Kategorie „Gelsenkirchener Barock“. Die Spiegel an den Hinterwänden der Warenregale waren ebenfalls vor 20 bis 30 Jahren modern.
Doch kurz bevor die Apothekerin Ernst machen wollte, kamen die Gerüchte auf, dass der Allgemeinarzt gegenüber seinen Standort innerhalb des Ortes verlegen und dafür neu bauen will. „Als klar war, da tut sich was, haben wir die Umbaupläne natürlich erst einmal auf Eis gelegt“, erläutert die Pharmazeutin. „Wir haben zwar in Rhens insgesamt drei Ärzte. Wenn aber der Arzt gegenüber umzieht, wird es schwierig.“ Zumal sich die restliche Infrastruktur in den vergangenen Jahren ebenfalls an den Standort verlagert habe, mit dem auch der Arzt geliebäugelt hat.
Das Apothekerpaar bekundete sofort das Interesse, mit an den neuen Standort zu ziehen. So konnte auch das neue Gebäude so konzipiert werden, dass die Apotheke in das Erdgeschoss einzieht. Im Obergeschoss sollten der Hausarzt und eine Physiotherapiepraxis ihr neues Zuhause finden. Anfang 2017 starteten die Planungen, vor wenigen Wochen hat die Apotheke am Königsstuhl ihre Türen am neuen Standort geöffnet.
Nun erfüllen die Räume nicht nur alle Anforderungen der Apothekenbetriebsordnung. Auch optisch ist keine Spur mehr vom beklagten „Gelsenkirchener Barock“ zu sehen. Stattdessen können sich die Apothekerin und ihr Team über eine helle, moderne und vor allem etwa doppelt so große Offizin freuen, was auch bei der Warenpräsentation und bei der Produktpalette weit größere Spielräume eröffnet.
„Am alten Standort war ein sinnvolles Category-Management kaum möglich“, erläutert Jäger. In den neuen Räumen könne man beispielsweise das Kosmetiksortiment nicht nur erweitern, sondern auch vernünftig präsentieren. Außerdem will man den Bereich der Phytopharmaka ausbauen, zumal eine Phyto-PTA zum Team der Apotheke gehöre. Auch Jäger selbst hat eine entsprechende Fortbildung absolviert. Mehr Platz wurde der Tee-Ecke eingeräumt.
Darüber hinaus zog ein halbautomatischer Kommissionierer, genannt Hubert, in die neuen Räume ein. „Wir haben mehr oder weniger gezwungenermaßen auf einen Kommissionierer umgestellt“, gibt er überraschend zu. Denn sonst hätte man viel Platz verloren. Während der Automat in der Länge nun rund fünf Meter beansprucht, hätte man für die Ziehschränke erfahrungsgemäß rund 12 Meter gebraucht. Positiv sieht der Apotheker auch, dass so mehr Zeit für die Beratung der Kunden bleibt.
Aus finanzieller Sicht rentiere sich ein Kommissionierer im Vergleich zu Ziehschränken jedoch nicht, sagt er. Allein in der Anschaffung koste er etwa doppelt so viel wie die Möbel. Hinzu kommen laufende Wartungs- und Betriebskosten. „Um diese Mehrkosten über eine Laufzeit von 15 Jahren als Gewinn hereinzuholen, muss eine durchschnittliche Apotheke ihren jährlichen Umsatz um mehrere Zehntausende Euro steigern“, rechnet Jäger vor. Und das sei zumindest unwahrscheinlich. Das Argument, der Kommissionierer helfe, Zeit zu sparen, und reduziere dadurch Personalkosten, lässt Jäger ebenfalls nicht gelten.
Restlos begeistert zeigt er sich dagegen vom neuen Labor, das deutlich erweitert wurde. „Das war auch dringend notwendig“, betont auch seine Frau. Denn die Apotheke am Königsstuhl kooperiert mit dem nahegelegenen SAPV-Stützpunkt und hat einen Schwerpunkt in der Zubereitung von Spezialrezepturen für Schmerzpatienten. „Die Nachfrage ist groß, da bei weitem nicht jede Apotheke bereit ist, die Verordnungen der Palliativärzte anzunehmen“, berichtet der Apotheker. „Wir erhalten deshalb nicht nur Verordnungen von den Ärzten aus direkter Umgebung, sondern auch aus den umliegenden und sogar weiter entfernten Gemeinden.“ Dank des größeren Labors könne man nun die Dienstleistung entsprechend ausbauen.